Sanssouci: Vorschlag
■ Serienmörder in den Konzept-Ausstellungen von Max Frazee
Poster für Hamburgs U-Bahn, 1994 Foto: Max Frazee
Max Frazee wirkt beängstigend: riesige Statur, breitschultrig und mit gewaltigen Muskelpaketen ausgestattet. Ein Typ, wegen dem frau in der Nacht lieber die Straßenseite wechselt. Und Frazee sammelt Geschichten. Von über 600 Serienmördern. Zehn von ihnen hat er in Ausstellungen porträtiert, wobei er mit Fahndungsprotokollen, Zeitungsberichten, Zitaten, vermeintlichen Beweisstücken aus dem Umfeld von Opfern und Tätern arbeitet.
Vor zwei Jahren stellte Max Frazee eine Bibliothek zum Thema für sein Hamburger „Gene Pool“-Projekt zusammen. Auf weißen DIN-A4-Bögen notierte er Namen von 1.000 Massenmördern, ergänzt durch die Zahl ihrer Opfer. Pläne über Tatorte, Tableaus mit briefmarkengroßen Fotos der Opfer boten optische Versatzstücke zur Verbrecherdatei. Nun zeigt Frazee Zeichnungen, die Ted Bundy umkreisen. Über 100 Opfer sagt man ihm nach. Teilweise muß er alle zwei Tage eine Frau getötet haben, nach immer gleichem System. Doch Frazees Bilder dekonstruieren diese „Handschrift“ des Serienmörders, seine kriminelle Identität, die er durch den Ablauf des Verbrechens findet. „The Colour of Ted Bundy's Piss“ schreibt Frazee in großen Lettern auf ein gelb koloriertes Feld. Auf beiden Seiten umrahmen schwarze Blöcke das vermeintliche Fundstück. So erinnern „Blut“, „Sperma“ und „Haare“ des Serienmörders an Altarbilder, Triptychen des verbrecherischen Subjekts. Ein verzweifelter Versuch, den Serienmörder zu zerlegen, nach besonderen Zeichen seines Körpers zu fahnden. „Eine Reise zum Serienmörder“ titelt Frazee die kriminologischen Untersuchungen.
Frazee geht es um Verfolgte und Verfolger zugleich. Michael Foucaults Satz „Jede Gesellschaft hat die Kriminellen, die sie verdient“ ist sein Arbeitsmotto. Rund 90% aller Serienmörder wuchsen in Heimen auf, über 95% wurden als Kinder sexuell mißhandelt. „Sex war für mich fast mechanisch, Gewalt dagegen findet niemals ein Ende in sich selbst“, hat Ted Bundy einmal gesagt. Er wurde vor sechs Jahren hingerichtet. Julia Seidl
Heute findet um 19 Uhr ein Vortrag von Max Frazee im Argument-Buchladen statt. Bilder sind Sa./So., 15–18 Uhr in den Räumen von Henning Angerer, Reichenbachstraße 150, zu sehen
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