Sanssouci: Vorschlag
■ The Sweets of Sin in der Volksbühne
Die nähere Betrachtung des Kopfes von Frank Mankyboddle weckt Assoziationen mit Gisèle Freunds Porträtfoto von Jean Cocteau: ein schmales, ernstes Gesicht, gekrönt von himmelwärts strebenden Haaren. Der Sänger, eine Mischung aus verarmtem britischem Adligen, Clown und Sozialromantiker, bekennt sich ohne Scham zu seinen Anfängen: „Mit sechs Jahren habe ich angefangen, zu Heintje-Platten zu singen, das war der große Einstieg. Später wurde Ian Gillan mein Idol, und ich habe Deep-Purple-Songs mitgeschrien.“ Erst 1985 traf der Deutsch- Australier in Adelaide auf das passende Pendant, auf den Musiker, Komponisten und Toningenieur Steve Z. Im selben Jahr noch hoben sie ihre Band „The Sweets of Sin“ aus der Taufe.
Vier Protagonisten bevölkern die Bühne. Drummer Daniel O'Shea Clements treibt die sentimentalen Popmelodien an, seine rhythmische Begleitspur fügt sich sensibel in die geographisch- zeitliche Ebene der Songs – in ein kurdisches Traditional ebenso wie in eine Reminiszenz an den Rock der späten Siebziger. Der Kasseler Bassist Dirk Lang, auf der ersten und bisher einzigen CD noch Gast, inzwischen festes Mitglied der Band, begleitet zurückhaltend, aber akzentuiert das bunte musikalische Spektakel. Steve Z. ist nicht nur der Komponist der meisten Titel, er ist auch der ewige Romantiker, hat seine E-Musik-Vergangenheit nie ganz aufgegeben. Mit Sopran- und Tenorsaxophon, Flöte, Klarinette, Keyboards und dem in der U-Musik ganz und gar ungebräuchlichen French Horn nimmt er sich ausreichend Raum für instrumentale Ausflüge und umkreist das musikalische Ambiente der poetisch-politischen Messages von Frank Mankyboddle.
Die einschmiegsamen Kompositionen machen nicht nur freche Anleihen bei anderen Stilrichtungen, darüber hinaus sind zahlreiche Brüche eingearbeitet, die ihre Romantik ironisieren. Und auch Mankyboddle, dessen großes Vorbild der Menschenforscher und -freund Hans Dieter Hüsch ist, beherrscht die Gratwanderung zwischen Unterhaltungswert und Sendungsbewußtsein perfekt. „Ich bin immer auf Sendung und sehe mich in der Tradition der Narren, jener Komödianten, die den Leuten allerdings nicht nur etwas vorgaukeln“, sagt der Sänger mit der in allen Facetten changierenden Stimme. Grinsend beharrt er darauf, daß auch Pop Kunst sei und Musik immer eine Suche nach Idealen. Anna-Bianca Krause
Heute und morgen abend um 22 Uhr im Raum über dem Roten Salon der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz.
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