Sanssouci: Vorschlag
■ Nichts darf verlorengehen „museum: Martin Rosz“ bei art acker
„Ich rufe meine Bank an“, erzählt eine ruhige, um Kontrolle bemühte Stimme vom Tonband, „mein laufendes Konto ist gesperrt. Fünftausend Mark im Minus. Ist jetzt alles aus? Gehe ich unter?“ Das gedämpfte Licht der tief gehängten Lampen beleuchtet sieben Vitrinen, drei Diaprojektoren werfen Schwarzweißfotos an die Wand. „Wie soll ich Wohnung und Atelier bezahlen?“ Tagebuchdokumente, die jede Gefühlsregung, jedes Gespräch und jedes Erlebnis mit Uhrzeit und Datum dokumentieren, sind im kargen Ausstellungsraum aufgebahrt und künden von einem Ringen im Zeichen des Kreuzes. „Warum hilfst Du mir, Gott, nicht?“ steht dort mit dickem Bleistift geschrieben. Martin Rosz, Schöpfer und einziger Bewohner seines manischen Museums, mit dem er nach zweijähriger Pause die Räume des art acker e.V. wiedereröffnet, ist der Bruder des Schriftstellers Rolf Dieter Brinkmann, dessen 20. Todestag sich unlängst jährte.
Einziger Inhalt seiner Arbeit wird die Dokumentation des täglichen Überlebens. Es war die aus der sozialen Isolation und dem materiellen Scheitern resultierende wütende Sehnsucht nach einer allumfassenden, befreienden Beschreibung des vermeintlich Realen, die Rolf Dieter Brinkmann in „Rom, Blicke“ und den „Erkundungen zur Präzisierung des Gefühls für einen Aufstand“ zur Zerstörung seiner Schreibfähigkeit trieb.
Sie ist es auch, die Martin Rosz umtreibt, wenn er noch die kleinste Handlung, wie das Einkaufen im Penny-Markt Müllerstraße, akribisch auf Notizblöcken dokumentiert und in sein Werk integriert, das unterschiedslos alles in sich verschlingt: italienische Zuckertüten, Visitenkarten, beschriebene Zeitungsseiten, Fotos, eigene Bücher. Wo sich ständig alles aufzulösen droht, darf nichts verlorengehen, wo alles von Unordnung bedroht wird, müssen Bleistiftzeichnungen und als Notizzettel verwendete Briefumschläge peinlich genau arrangiert werden. Schreiben und Malen sind für Brinkmann und Rosz letzte Gewißheit ihrer Existenz geworden. Es sind Grüße von der „glühenden radioaktiven Grenze“ (Michel Butor), die, einmal überschritten, den Weg zurück in die Welt der harmlosen Trivialitäten nicht mehr freigibt. Gunnar Lützow
„museum: Martin Rosz“, bis 7. Oktober, Di.–Fr. 16–19,
Sa. 11–14 Uhr, art acker, Ackerstraße 18, Mitte
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