: Sanktionslose Animation zum Volkszählungsboykott
Frankfurt (taz) - Das Amtsgericht Groß-Gerau (Hessen) hat in einer seit gestern vorliegenden Urteilsbegründung den Freispruch eines Volkszählungsgegners erläutert, der öffentlich zum „Heraustrennen der Zählnummer“ aus dem Volkszählungsbogen aufgefordert hatte.
Die Anklage gegen den Arzt Gerhard Schneider wegen der „öffentlichen Aufforderung zu einer Sachbeschädigung“ wurde von Amtsrichter Coutandin-Gerischer am 19.Mai mit dem Hinweis auf die „Gesetzeskonkurrenz“ zwischen Ordnungswidrigkeitsrecht und Strafrecht in der Hauptverhandlung zurückgewiesen.
Das Gericht vertritt die Auffassung, daß das „typische Deliktbild der Auskunftsverweigerung“ nach Paragraph 23 des Bundesstatistikgesetzes darin bestünde, daß der Verweigerer den Auskunftsbogen „in den Abfalleimer wirft“. Doch dieses Handeln sei „nach einhelliger Auffassung“ lediglich als Ordnungswidrigkeit zu ahnden.
Da die Aufforderung zum Abschneiden der Zählnummer noch unterhalb der Aufforderung zur Vernichtung des gesamten Bogens anzusiedeln sei, habe der Angeklagte allenfalls zur Begehung einer Ordnungswidrigkeit aufgefordert. Dem stehe allerdings entgegen, daß der Angeklagte sich lediglich an ohnehin Boykottwillige gewandt habe.
Richter Coutandin-Gerischer: „Die zusätzliche Aufforderung zum Abschneiden der Nummer ist dann lediglich sanktionslose Animation zum seinerseits sanktionslosen Verhalten des bereits verwirklichten Bußgeldtatbestandes.“ (Aktenzeichen: 2JS.15.292/87-3 Cs)
kpk
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