■ Die Schnepfe: Sahniger Genuß
Eingeseift und hilflos liegt der Mann da, die Kehle wie in Demutshaltung präsentiert, Inbegriff männlicher Wehrlosigkeit. Sanft gleitet die Klinge. Zug um Zug streicht „il barbiere“ über Wange und Kinn, nähert sich gekonnt den sensiblen Stellen an Lippen, Nase und Kinnfalten.
Der Gipfel der Genusses: der zweite Durchgang. Noch sahniger ist der Schaum geworden, noch sanfter streicht die Klinge. Dann wieder heiße Tücher. „Le fa bene“? Tut es Ihnen gut? Wollen Sie einen Kaffee? Der Kunde nickt wohlig.
Das Ende des Rituals ist eine betörende Creme, ein überraschend sanftes, duftendes Gel. „Mandel mit Honig“, sagt il barbiere wie nebenbei. Er lächelt. Er weiß, daß der Kunde wiederkommt.
dpa-Feature vom 10.12.97
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