: Sahnehäubchen für die Neustadt
■ Wirtschaftsbehörde sichert Stadtteil „städtebauliche Kompensationsmaßnahmen“aus Beck's-Geschäft zu / Senator Hattig distanziert sich von Kungelgeschäften als Ex-Brauerei-Chef
Die Erlöse aus dem Verkauf des Grünenkamp sollen tatsächlich in die Neustadt fließen. Das sicherte gestern das Wirtschaftsressort zu. Senator Josef Hattig (CDU) ist sich darüber im klaren, daß die Neustadt einen wichtigen öffentlichen Platz verliert. Darum müsse für städtebauliche Kompensationsmaßnahmen über den Gewerbeflächenfonds gesorgt werden. „Ich werde alles dafür tun, daß die parlamentarischen Gremien diesen Maßnahmen zustimmen werden“, sagte Hattig gestern gegenüber der taz.
Zugleich wehrt sich Hattig vehement gegen Vorwürfe, er habe den Verkauf an die Brauerei angeleiert, weil er deren ehemaliger Geschäftsführer sei. „Der Verkauf ist bereits unter Senator Perschau, als dieser noch das Wirtschaftsressort betreut hat, angeschoben worden.“Daß dieses Vorhaben ausgerechnet jetzt in die Tat umgesetzt werde, habe nichts mit seiner aktuellen Position als Wirtschaftssenator zu tun. Auch Vorwürfe aus Bremerhaven, der Wirtschaftssenator würde sich nicht genügend für die Seestadt einsetzen, wies Hattig von sich. „Ich sehe den Zusammenhang nicht. Die Entscheidung muß schlußendlich Beck und Co. treffen.“In diesem Zusammenhang verweist Hattig darauf, daß die Investition vor der Haustür („going company“) sinnvoller sei, als nach Bremerhaven zu ziehen.
Das bestätigt auch Beck's-Sprecher Peter Führing. Nach seinen Angaben kostet eine Verlagerung der geplanten Abfüllanlagen in die Seestadt etwa 15 bis 20 Millionen Mark mehr als auf dem Grünenkamp. „Das liegt an Infrastrukturmaßnahmen wie etwa Rohrleitungen“, so Führing. Zudem lohne sich in der Neustadt bereits der Bau einer Anlage mit 30 Mitarbeitern, während in Bremerhaven erst zwei Abfüller rentabel arbeiten könnten. Auf einen konkreten Zeitpunkt für den Baubeginn des 60-Millionen-Mark-Projekts wollte er sich aber nach wie vor nicht festlegen: „Wir müssen erst den Markt eruieren und dann auf die bisher gestiegene Nachfrage reagieren.“
Aus diesem Grund will Beck's auch den Standort Bremerhaven nicht vollständig aus den Augen verlieren. Führing: „Die Vertragsverhandlungen sind noch lange nicht beendet.“Die Seestadt sei vor allem für den Export ein attraktiver Standort.
Im Ortsamt Neustadt sorgte die klare Investitionszusage für den Stadtteil aus dem Hause Hattig gestern für allgemeines Aufatmen. „Die unklare Sachlage hat schon für einige Irritation gesorgt“, sagte Ortsamtsleiter Klaus-Peter Fischer. Er fühlte sich zwischenzeitlich „über den Tisch gezogen“. Grund: Die Reinvestition des Grünenkamp-Verkaufserlöses in die Neustadt war in Zweifel gezogen worden. Mit den Infrastrukturmitteln soll vor allem der Neue Markt verschönert, die Straßenbahnschienen aus der Pappel- in die Osterstraße verlegt und erstere begrünt werden.
Mit der klaren Stellungnahme von Hattig ist übrigens auch ein neuer Antrag der PDS im Beirat Neustadt vom Tisch. Dieser sah eine Sondersitzung mit der Rücknahme des Verkaufsbeschlusses vor – falls der Erlös nicht in die Neustadt fließt. Werner Herminghaus (PDS) will jetzt aber darauf drängen, daß der Grundstücksausschuß der Bremischen Bürgerschaft diese Zweckbestimmung der anvisierten zehn Millionen Mark in den entsprechenden Verkaufsbeschluß mit aufnimmt. „Sonst wird nachher wieder alles rückgängig gemacht, und die Neustadt guckt doch noch in die Röhre.“
Jens Tittmann
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