: Sachsen muß zahlen
■ Bundesarbeitsgericht verurteilt das Land zur Wiedereinstellung eines Ex-Stasi-Mitarbeiters
Kassel (AP) – Das Land Sachsen ist vom Bundesarbeitsgericht verpflichtet worden, einen wegen Stasi-Mitarbeit vor mehr als drei Jahren fristlos entlassenen Bediensteten wieder einzustellen und ihm das entgangene Gehalt nachzuzahlen. Der Mann hatte als junger Soldat der Stasi Fluchtpläne von Kameraden verraten. In dem gestern veröffentlichten Urteil wiesen die Richter darauf hin, daß Fahnenflucht auch in rechtsstaatlichen Demokratien als Straftat angesehen werde. Deshalb verstoße deren Verhinderung nicht gegen rechtsstaatliche Grundsätze. Außerdem liege die Stasi-Mitarbeit des Mannes fast ein Vierteljahrhundert zurück, so daß eine Weiterbeschäftigung im öffentlichen Dienst zumutbar sei.
Der damals 26jährige Mann hatte sich 1969 während seines Grundwehrdienstes bei den Grenztruppen der DDR schriftlich zur Mitarbeit bei der Stasi bereit erklärt. Er berichtete damals über Gespräche im Kameradenkreis und verriet dabei auch die von anderen Soldaten beabsichtigte Flucht in den Westen. In der Beurteilung des Stasi-Führungsoffiziers heißt es, der Soldat habe seine Aufträge gut erfüllt.
In seinem Personalfragebogen gab der Mann nach der Wende an, er habe niemals für die Stasi gearbeitet. Später wurden jedoch seine Berichte und die Beurteilung bei der Gauck-Behörde gefunden. Das Land Sachsen entließ den Angestellten daraufhin 1994 fristlos.
Der Betroffene wandte unter anderem ein, er habe beim Ausfüllen des Fragebogens nicht mehr an die inzwischen weit zurückliegende Tätigkeit für die Stasi gedacht. Das Arbeitsgericht in Dresden und das Landesarbeitsgericht hatten die Klage des Mannes abgewiesen. Das Land Sachsen muß jetzt die gesamten Prozeßkosten bezahlen. (Az.: 8 AZR 762/95)
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