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GASTKOMMENTARSaat der Vernunft

■ Zur Unterzeichnung des Medienstaatsvertrags zwischen Berlin und Brandenburg

Das Land Brandenburg und die Großstadt Berlin sind historisch, kulturell und wirtschaftlich eine Region, rundfunktechnisch ein Sendegebiet und rundfunkökonomisch ein Markt. Mit dem SFB und dem ORB stehen zwei unterfinanzierte und konzeptionell begrenzte öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten in potentiell ruinöser Konkurrenz. Eine konkurrierende Zulassung privater Anbieter in Berlin und Brandenburg wäre ein Alptraum für alle Beteiligten.

Der am vergangenen Wochenende unterzeichnete Medienstaatsvertrag macht den Versuch, diesen möglichen Schaden zu begrenzen: für ORB und SFB werden Frequenzen zugewiesen und Vorgaben für die Zusammenarbeit gemacht, und über die Zulassung privater Sender im gesamten Sendegebiet soll eine gemeinsame Medienanstalt beider Länder entscheiden. Beides ist notwendig und richtig.

Drei Probleme sollten bei den Beratungen in den Landesparlamenten bedacht werden.

1.Der Vertrag zwingt die öffentlich-rechtlichen Sender, auf drei Fernsehfrequenzen nur zwei Programme zu zeigen: ein gemeinsames Drittes und auf zwei Frequenzen weitgehend identische Fassungen des Ersten Programms. Besser wären ein Erstes Programm mit gemeinsamem Fenster, und zwei werbefreie, möglichst unterschiedliche Dritte Programme.

2.Die als brandenburgische eingebrachten Interessen sind über Gebühr in den Vertrag eingeflossen; aus Berliner Sicht ist er kaum hinnehmbar. In Berlin leben mehr Radiohörer und Fernsehzuschauer als in Brandenburg; Gebühren und Werbeerträge aus Berlin sind höher. Der Vertrag legt aber die jeweils gleiche Zahl von Programmen, gleichen Einfluß bei den gemeinsamen Programmen und gleiche Stimmenverhältnisse bei den gemeinsamen Lizenzentscheidungen fest, und er begünstigt Brandenburg durch die Festlegung auf Babelsberg als Produktionsstandort.

3.Die Schwierigkeiten des Vertrags sind eine Warnung. Die Entwicklung der Region muß im Zusammenhang erörtert und in gemeinsamer Beratung aller gewählten Parlamentarier entschieden werden. Wenn statt dessen für Teilprobleme jeweils gesonderte Verträge einzeln aus- und nach- und neu verhandelt werden müssen, geht der Zusammenhang verloren, und die zwei im Moment knappsten Ressourcen werden wichtigeren Aufgaben entzogen: Zeit und politische Gestaltungskraft. Dennoch: In diesem Staatsvertrag keimt die Saat politischer Vernunft; die Aufgabe heißt, mehr davon und mehr daraus zu machen. Axel Zerdick

Der Autor ist Professor für Ökonomie und Massenkommunikation an der Freien Universität Berlin. Er war einer der beiden Vorsitzenden der Sachverständigen-Gruppe »Medienordnung« des Provisorischen Regionalausschusses für den Ballungsraum Berlin. Im Ost-West-Konsens hat diese Gruppe Mitte 1990 für die Länder Berlin und Brandenburg für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine durch Neugründung zu errichtende gemeinsame Landesrundfunkanstalt und für den privaten Rundfunk eine gemeinsame Aufsichtsbehörde empfohlen.

Siehe auch Beiträge auf der Seite 23.

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