SUDAN: EINE PERSPEKTIVE GEGEN DEN ZERFALL DES LANDES : Die Mühen des Einzelfalls
Es gehört zu den Merkwürdigkeiten der Afrikadebatten rund um den G-8-Gipfel, dass konkrete afrikanische Länder zumeist ausgespart werden. Der anhaltende Staatsterror in Simbabwe, die andauernden Konflikte in Kongo, Somalia und der Elfenbeinküste, die fragile Lage von Nigeria oder Äthiopien – solche Dinge scheinen nicht der gesonderten Analyse wert. Es geht immer nur um „Afrika“.
Auch der Horror in Darfur ist völlig aus dem internationalen Bewusstsein verschwunden. Noch vor einem Jahr wurde das Kriegsgeschehen in der Krisenregion im Westen Sudans von zahlreichen besorgten Beobachtern mit dem Völkermord in Ruanda 1994 gleichgesetzt – ein fragwürdiger Vergleich, der dennoch dafür sorgte, dass die internationale Politik sich mit Sudan beschäftigte wie nie zuvor. Im Sommer 2004 gaben sich Außenminister von G-8-Ländern in Khartum die Klinke in die Hand und verlangten allesamt ein Ende des Krieges. Aber die internationale Aufmerksamkeit erwies sich als sehr kurzlebig. Nicht einmal zu Sanktionen gegen Kriegsverbrecher reichte sie.
Zugleich droht die mit großem Pomp gefeierte Friedensregelung für Südsudan, die von einer großen UN-Mission mit deutscher Beteiligung abgesichert werden sollte, am allgemeinen Desinteresse und an zahlreichen ungeklärten Einzelkonflikten zu scheitern. Immerhin werden Südsudans SPLA-Rebellen, die ihren Landesteil zukünftig autonom regieren, ab dem Wochenende formell in Sudans Zentralregierung aufgenommen. Für Sudans Politik ist dies durchaus eine Chance auf einen Neuanfang. SPLA-Führer John Garang träumt schließlich von einem geeinten, aber zugleich föderalen Gesamt-Sudan – unter seiner Führung.
Dies bietet immerhin eine Perspektive für Darfur und auch für Sudans neueste Kriegsfront im Osten des Landes. Föderalisierung und Autonomie für alle Landesteile, nicht nur für den Süden, könnten die letzte Chance sein, den kompletten Zerfall des Sudan noch zu vermeiden. Dies müsste die internationale Diplomatie jetzt fördern. Aber vielleicht haben die Diplomaten dafür zu viel Afrika im Kopf. DOMINIC JOHNSON