STALKING: Mord mit Vorgeschichte
Der Mord an einer Lehrerin in Bremen-Nord im Dezember 2009 hatte eine lange Vorgeschichte - "viele Warnsignale" wurden übergangen, sagt der Staatsanwalt
"An der Schule bin ich auf eine Mauer des Schweigens gestoßen", sagt Kerstin Schneider, Journalistin - früher bei der Bremer taz, heute beim Stern, wo sie über den Fall berichtete. Über Monate hat sie versucht, die Hintergründe des Mordes an der Bremer Lehrerin Heike Block im Dezember 2009 aufzuhellen. Der Schulleiter, der viel weiß, sagt kaum etwas. Der zuständige Staatsanwalt Uwe Picard: "Ich habe selten einen Fall erlebt, bei dem es im Vorfeld so viele Warnsignale für ein Verbrechen gegeben hat." Schon zwei Jahre vor dem Mord hatte eine Lehrer-Kollegin dem Schulleiter schriftlich den Hinweis gegeben: "Ich empfinde die Situation als besorgniserregend und auch bedrohlich. (...) Ich mache dies hiermit aktenkundig." Sie notiere dies für den Fall, dass "ich nicht in der Lage sein sollte, im Ernstfall eine Aussage zu machen."
Die Staatsanwaltschaft Bremen hat Anklage wegen Mordes erhoben. Der Täter Gero S. hatte die Tat über Wochen vorbereitet, während er bei der Bundeswehr krank geschrieben war. Er hatte Videokameras an den Autobahnabfahrten aufgehängt, um herauszufinden, wo seine frühere Lehrerin abfährt. In St. Magnus hatte er schließlich den silbernen Mini gefunden und sich im Gebüsch gegenüber der Wohnung versteckt, um ihre Lebensumstände aufzuspüren. Dort hatte er sogar eine Leiter deponiert, um notfalls über ihren Balkon in die Wohnung einzusteigen. Er hatte Fragen für ein Verhör vorbereitet und wollte sie dann ermorden.
Gero S. war ein hochintelligenter junger Mann, aber völlig verstört. Zwei Mädchen an der Schule hatten sich schon von ihm verfolgt gefühlt, der einen hatte er, tief gekränkt, angedroht, eine "Rakete" auf ihren Wohnort abzuschießen. Auch damals gab es einen "Fragenkatalog" für ein Verhör.
Heike Block, die Biologielehrerin, hatte ihm zunächst stundenlang zugehört, wollte ihn verstehen, ihm helfen - bevor der Zeitpunkt kam, dass sie sich bedrängt fühlte. Was dann passierte, fasst die Strafverteidigerin Barbara Kopp, die die Familie anwaltlich vertritt, so zusammen: "Der Direktor hat Heike Block im Stich gelassen und sie dem Stalker regelrecht ausgeliefert." Der Schulleiter, so der Stern, widerspricht dem: Die Lehrerin habe ihm damals die Bedrohungslage "nicht in dieser Schärfe" geschildert, sagt er.
Heike Block hatte ihm erklärt, Gero S. müsse aus ihrer Klasse herausgenommen werden. Die Schulleitung beschließt, dass Gero S. in dem Kurs bleibt und Einzelunterricht bei Heike Block erhalten soll. "Meine Einwände dagegen wurden nicht ernst genommen", notierte Heike Block. Schon in der zweiten Einzelstunde macht er ihr Liebeserklärungen. Die Lehrerin teilt dem Schulleiter mit, dass sie sich nicht mehr allein mit dem Schüler treffen könne. "Unverständnis von seiner Seite" notiert sie.
Warum hat sich die Lehrerin nicht schlicht geweigert? Ihr Vater, dem sie sich oft anvertraut hat, hat darauf eine schlichte Antwort: "weil die Beurteilung für ihre Verbeamtung anstand".
Nach dem Amoklauf in Winnenden im März 2009 kündigt Gero S. an, er wolle "für Gerechtigkeit in Deutschland" sorgen. Der Schulleiter fürchtet nun seinerseits einen Amoklauf, die Polizei hatte Schwarzpulver bei ihm im Zimmer gefunden.
Gero S. wurde nicht zum Abitur zugelassen, ging zur Bundeswehr. Sechs Monate später lauerte er der Lehrerin vor ihrer Wohnung auf - 20 Stiche mit dem Kampfmesser.
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