: SPD verliert weitere Köpfe
■ Landesvorsitzender Herbert Brückner stellte sein Amt mit einer scharfen Kritik der „Schwächen des Senats“ zur Verfügung / Wedemeier verzichtet auch auf Staatsrat Euler, um Neubeginn nicht zu belasten
Mit kaum zu übertreffender Verbitterung hat der Bremer SPD -Landesvorsitzende Herbert Brückner gestern sein Amt hingeworfen und der Partei das Stehpult zurückgegeben, das die Genossen ihm zum 50. Geburtstag vor sechs Wochen geschenkt hatten. Der langjährige Gesundheitssenator, der in den 70er Jahren schon als „Kronprinz“ der bremischen SPD gehandelt wurde, war im September 1987 aus dem Senat zurückgetreten und als Landesvorsitzender der Bremer SPD mit dem Anspruch angetreten, die Senatspolitik auf das von der Partei beschlossene Programm, den „Bremen-Plan“, zu verpflichten. „Unbeantwortete Fragen zur Umsetzung der politischen Zielsetzungen des Bremen-Plans“ und „Schwächen des Senats“ stellte Brückner gestern in den Vordergrund seiner Rücktritts-Erklärung (vgl. Dokumentation Seite 18).
Krise der SPD? „Das ist nicht die Krise der Regierung Wedemeier“, erklärte der Bürgermeister gestern vor der eiligst zusammengerufenen Presse. Er verstehe die Verbitterung Brückners, seine Vorwürfe seien gleichwohl falsch. Der Senat, so versicherte Wedemeier, habe sich in der Regierungserklärung die Umsetzung des „Bremen-Plans“ zur Aufgabe gemacht und „diese Regierungserklärung arbeiten wir ab.“
Euphorie oder Aufbruchstimmung ist allerdings nicht zu spüren, wenn Wedemeier von „Neubeginn“ spricht. „Politik des Küchenkabinetts“ kritisieren so auch die Grünen, Wedemeier greife „wie ein Ertrinkender nach dem Strohhalm“. Für eine „personelle Runderneuerung“ fallen ihnen auf Anhieb einige Namen ein: Frank Teichmüller als Wirtschaftssenator, Ingrid Kurz-Scherf als Arbeitssenatorin,
Klaus Traube als Umweltsenator, Hille Darjes als Kultursenatorin - Köpfe, „mit denen die Hoffnung auf zeitgemäße und experimentierfreudige politische Anstöße verbunden ist“. Wedemeier setze stattdessen auf den „heimischen SPD-Filz“.
Der Bremer SPD stehen schwere Personaldebatten bevor. Die von ihm vorgeschlagenen Personen müßten schon selber um ihre Mehrheit in der Partei kämp
fen, meinte Wedemeier gestern auf die Frage nach dem Widerstand, der sich gegen eine Bildungssenatorin Marlis Grotheer-Hüneke in der SPD regt. Ob Bernd Meyer für den Posten des Fraktionsvorsitzenden kandidieren wird, steht noch nicht fest, meinte er, da wolle er sich auch nicht einmischen.
Gerüchte um die schwindende Bereitwilligkeit des Fraktionsvorsitzenden Dittbrenner, das
Bau-Ressort zu übernehmen, wies Wedemeier zurück. Für Dittbrenner ist das allerdings noch keine ausgemachte Sache. Insbesondere im Unterbezirk Bremen-Ost gebe es starke Widerstände gegen die Teilung des Ressorts von Eva Lemke -Schulte, mit dem „Stadtentwicklung und Umweltschutz“ zu einem Arbeitsschwerpunkt verschmolzen werden sollten.
Völlig vakant ist vorerst der Posten des Parteichefs. Der Name des Alt-Bürgermeisters Koschnick fiel gestern, der seinerseits nannte den des Bundestagsabgeordneten Walthemathe.
Frei wird auch der Stuhl des Staatsrates in der Senatskanzlei, der wurde gestern unmittelbar nach der Kunde von Brückners Rücktritt „in den einstweiligen Ruhestand versetzt“. Diese Entscheidung tue ihm „sehr weh“, meinte Wedemeier, und sei „kein Eingeständnis einer Pflichtverletzung“ Eulers in seiner Zeit als Senatsdirektor im Gesundheitsressort Brückners; ein „Neubeginn“ dürfe aber nicht durch eine Diskussion um Eulers frühere Funktion belastet werden.
Immerhin einem Gedanken in Brückners Brief konnte Wedemeier gestern ausdrücklich zustimmen: dem Zitat Rosa Luxemburgs „So ist das Leben, und so muß man es nehmen, tapfer, unverzagt und lächelnd - trotz alledem!„K.W.
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