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SPD und CDU wollen Krebsregister

■ Gesundheitsbehörde will keinen „Datenfriedhof“ / Anfragen der Fraktionen in der Bürgerschaft

Seltene Eintracht zwischen SPD und CDU in Bremen. „Für eine fundierte Gesundheitsberichterstattung muß ein Krebsregister betrieben werden“, erklärte gestern die Sprecherin der Gesundheitsdeputation, Barbara Noack (SPD). Sie werde „in Kürze einen weiteren Vorstoß für die Einrichtung eines Krebsregisters in Bremen“ unternehmen. Unterstützt wird sie dabei von der CDU. Ulrike Schreiber, stellvertretende Deputationssprecherin, will „vor allem für die Aufklärung über Krebs“ ein solches Register gesundheitspolitisch umsetzen.

Die beiden größten Bremer Parteien treibt das sogenannte Bundeskrebsregistergesetz um, das ab 1995 die Einführung solcher Register auf Länderebene vorschreiben soll. Neben den Koalitionsparteien CDU und FDP hat in Bonn auch die SPD Zustimmung signalisiert. Kritisch wird das Bundesgesetz aber von den Ländern im Bundesrat beäugt: Das Gesetz greife in die gesundheitspolitische Hoheit der Länder ein, und dann auch noch zu deren Kosten. Die Gesundheitsbehörde in Bremen stimmt darin ein: Dr. Matthias Gruhl, Abteilungsleiter bei der Gesundheitssenatorin: „Ich habe die Angst, daß wir dort einen teuren Datenfriedhof anlegen, den wir zu 99,9 Prozent nicht brauchen“.

SPD und CDU haben für die nächste Bürgerschaftssitzung jetzt erst einmal Anfragen an den Senat gestellt: Wie weit ist das „Krebsregistergesetz“ gediehen, wie teuer würde ein Bremer Krebsregister und warum ist der Senat eigentlich dagegen ?(SPD). Die CDU will wissen, ob Bremen beim Bundesministerium schon einmal „ein deutliches Interesse am Aufbau eines landeseigenen Krebsregisters“ gezeigt hat und ob das Land noch vor Inkraftreten des neuen Bundesgesetzes Fördermittel vom BMG anfordern will.

Zweimal nämlich, 1990 und 1991, hat Bremen bereits auf der Förderliste des BMG gestanden. Das Geld ist aber nie abgerufen worden. „Wir haben damals gesagt, daß wir abwarten wollen, wie die Erfahrungen in anderen Ländern sind“, erklärt Gruhl. So sei Bremen eben zunächst auf die Förderlisten gekommen, nach 1991 aberauch wieder gestrichen worden. Zwischen 100.000 und 200.000 Mark konnten sich die Länder in den letzten Jahren zum Aufbau von Krebsregistern abholen. Kommt es 1995 zum Krebsregistergesetz, dann fördert der Bund nicht mehr.

Gruhl hat Gründe für seine Skepsis:

-Ohne Meldepflicht sind die Datensammlungen unvollständig und damit wertlos. Eine Meldepflicht ist aus datenschutz-rechtlichen Gründen nicht durchsetzbar. Notwendig wäre die Erfassung von 90 bis 95 Prozent aller Krebsfälle, bei einem Krebsregister auf freiwilliger Basis läge die Erfassung bei rd. 70 Prozent.

-Krebs entwickelt sich über 20, 30 Jahre. Zusammenhänge über mögliche Ursachen seien über so einen langen Zeitraum kaum herzustellen.

-Krebsregister bieten keine Möglichkeiten für eine gesundheitspolitische Umsetzung. Im Saarland, wo seit 1969 ein Krebsregister mit Meldepflicht besteht, habe es bislang keine neuen Erkenntnisse für die Gesundheitspolitiker gegeben.

-Die Kosten in Bremen für die jährliche Erfassung der Daten werden auf 800.000 bis 1.000.000 Mark geschätzt. „Wir stehen vor der Frage: Geben wir das Geld dem Gesundheitsladen und den Gesundheitstreffpunkten oder stecken wir es ins Krebsregister“, sagt Gruhl.

-Im Einzelfall könnten die Erhebungen regional wesentlich kostengünstiger nachgeholt werden. In Münchehagen seien die notwendigen Daten aus der Umgebung der Giftmüll-Deponie binnen sechs Monate zusammengetragen worden.

In Bremen werden Krebspatienten bislang auf freiwilliger Basis in der Tumornachsorgestelle registriert. Dort werden Daten für die Nachbehandlung nachsorgender Ärzte gesammelt. „Wir werden dieses System erst einmal fortsetzen und auswerten. Mein Eindruck ist, daß das erst einmal ausreicht“, erklärte Gruhl. Für SPD und CDU kündigte der Abteilungsleiter beim Gesundheitsressort „Aufklärungsarbeit“ an. mad

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