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SPD und CDU vor KoalitionsrundeEinigkeit ist anders

Postmindestlohn und Bahnprivatisierung haben sich zum Sprengstoff zwischen SPD und Union entwickelt. Hier sind die vier größten Konfliktthemen.

Kanzlerin Merkel, SPD-Fraktionschef Struck: Die Stimmung war schon mal besser. Bild: ap

SPD-Fraktionschef Peter Struck sieht die "Verlässlichkeit der Kanzlerin" auf dem Spiel, Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) meint, bei den Genossen eine "Sehnsucht zur Realitätsflucht" erkennen zu können, andere warnen gar vor einem möglichen "Spaltpilz", der eine weitere Zusammenarbeit von Union und SPD unmöglich mache. Fest steht: Die Stimmung in der Großen Koalition war schon mal besser.

Dumm nur, dass ausgerechnet jetzt, am 4. und am 12. November, zwei Koalitionsrunden im Kanzleramt anstehen, bei denen die Spitzen der Parteien eigentlich Kompromissfindung betreiben sollen. Und zwar für eine ganze Reihe von Themen, die so wichtige Felder wie den Arbeitsmarkt, die Verkehrspolitik oder die Kinderbetreuung betreffen.

Aber wie das so ist in einer politischen Zwangsehe wie Schwarz-Rot, irgendwann kommt auch mal der Zeitpunkt, wo man sich voneinander abgrenzen will. Und muss - denn die nächste Bundestagswahl ist bereits 2009. Um sein eigenes Profil zu schärfen, kommen solche Spitzenrunden gerade gelegen.

CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer jedenfalls hat die Marschrichtung der Union für Sonntag Abend schon mal festgelegt. "Je weniger beim Koalitionsausschuss herauskommt, desto besser für Deutschland." Das trifft die Rollenverteilung bei den Gesprächen ganz gut: Die SPD versucht, vieles durchzusetzen, die Union, vieles zu verhindern. Konflikte dürfte es insbesondere bei vier Themen geben.

Post-Mindestlohn: Beim Dauerstreitthema der Koalition droht ein Scheitern. Die Union sieht nach den jüngsten Zahlen der Bundesnetzagentur keine Grundlage mehr für eine Aufnahme der Postbranche in das Entsendegesetz. Die Koalition hatte vereinbart, dass der jüngste Post-Tarifvertrag, der einen Lohn von bis zu 9,80 Euro pro Stunde vorsieht, für alle Wettbewerber gelten müsse, wenn er mindestens 50 Prozent der Beschäftigten der Branche erfasst. Der Bundesnetzagentur zufolge fallen aber höchstens 42 Prozent darunter. Der Plan von Arbeitsminister Müntefering, das Gesetz vom 1. Januar 2008 an umzusetzen, droht zu kippen. Ausgerechnet Merkel aber wolle das Thema schnell beerdigen, um es aus dem Wahlkampf herauszuhalten, hört man.

Arbeitslosengeld I: Union und SPD sind sich im Grundsatz einig: Das Alg I soll für Ältere länger ausgezahlt werden. Umstritten ist die Finanzierung. Die Union will eine aufkommensneutrale Lösung, was sich wohl nur auf Kosten von Jüngeren realisieren ließe. Auf Kürzungen will sich die SPD aber nicht einlassen, auch wenn ihr Modell jährlich eine Milliarde Euro pro Jahr kosten würde. Das Geld soll aus dem Prall gefüllten Topf der Bundesarbeitsagentur kommen.

Bahnreform: Von allen Konfliktpunkten bestehen hier die wohl geringsten Einigungschancen. Die SPD hat auf ihrem Parteitag die Volksaktie quasi zur Bedingung einer Privatisierung gemacht. Damit soll der Einfluss von Großinvestoren verhindert werden. Die Union lehnt das Modell mehrheitlich ab. Sie fürchtet, dass sich weniger Investoren für die Bahn-Aktie finden würden, wenn sie keinen Einfluss im Unternehmen bekämen.

Betreuungsgeld: Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat das von der CSU geforderte Modell überraschend in den Entwurf für das Gesetz zum Krippenausbau aufgenommen. Die SPD sieht darin eine "Herdprämie" und wirft der Ministerin vor, sich nicht an die Koalitionsabsprache gehalten zu haben. Widerstand kommt auch von Peer Steinbrück. Er will verhindern, dass der Bund die Maßnahme finanzieren muss.

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