: SPD streitet über Atomausstiegsmodell
■ Gerhard Schröder rechtfertigt seine Zugeständnisse an die Atomindustrie
Berlin (taz) – Gestern tagte das SPD-Präsidium, morgen wollen Bundes- und Landespolitiker von SPD, CDU und FDP noch einmal versuchen, einen Konsens für die künftige Energiepolitik zu erzielen. Niemand rechnet mit einer Einigung. Umstritten sind die Finanzierung der Kohlegruben, die Einführung einer Energiesteuer und – vor allem – die Frage, wann die heute existierenden Atomkraftwerke abgeschaltet werden.
Immerhin hatten sich Niedersachsens Ministerpräident Schröder und CDU-Umweltminister Töpfer vorab so weit angenähert, daß Schröder seiner Partei auf zwanzig Manuskriptseiten noch einmal erklären mußte, wie er sich den Ausstieg aus der Kernenergie vorstellt. Die Zugeständnisse sind beachtlich: „Ausreichend vorhandene Zwischenlagerkapazitäten“ sollen als „gesetzlicher Entsorgungsnachweis“ für Atommüll gelten, solange kein Endlager zur Vefügung steht; auch ein neuer Reaktor darf gebaut werden, wenn eine Kernschmelzkatastrophe nur mit „kosmischer Wahrscheinlichkeit“ von eins zu 100 Millionen eintritt.
Sein Verhandlungsangebot gehe von der „gedanklichen Trennung“ zwischen heutiger Energieversorgung und zukünftiger Energiepolitik aus, schreibt Schröder. Deswegen müsse einerseits die „Entsorgung“ und „Abwicklung“ der heutigen AKW geregelt, andererseits ein „Wiedereinstieg in die Kernenergie gegen den Willen der SPD“ verhindert werden. Ein Bau- Moratorium für das Endlager Gorleben und Einzelverhandlungen über die Laufzeit der bestehenden AKW sollen das eine Ziel erreichen, dem anderen soll ein grundgesetzlich verankertes Verbot neuer Atomkraftwerke dienen, das nur mit einer Zweidrittelmehrheit des Bundestages aufgehoben werden könnte.
Einer solchen parlamentarischen Barriere scheint auch Christdemokrat Töpfer nicht abgeneigt; Querschläge kommen eher aus den eigenen Reihen. Als „überhaupt nicht hilfreich“ empfand gestern Schröder den Vorschlag von Wolfgang Clement, Chef der Düsseldorfer Staatskanzlei, dem Bau eines neuen AKW-Prototyps schon mal zuzustimmen. „Ich gehe davon aus“, grollte Schröder zurück, „daß wir in der SPD eine ernsthafte Aussteigsperspektive erarbeiten.“ nh
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