SPD setzt sich durch: Thüringen fördert Kinderbetreuung
Trotz eines horrenden Haushaltdefizits, schwenkt die Thüringer CDU auf Forderungen der SPD und eines Volksbegehrens ein. 100 Millionen Euro sollen in die Kinderbetreuung fließen.
ERFURT taz | Um die im Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD in Thüringen vereinbarte Reform der Kinderbetreuung wurde bis Mitte voriger Woche zäh gerungen. Dann konnten die Fraktionschefs Mike Mohring und Uwe Höhn einen Gesetzentwurf präsentieren, der beide das Gesicht wahren lässt. Er setzt unter anderem die Ziele eines geplanten Volksbegehrens für eine bessere Familienpolitik um und ermöglicht beispielsweise die Einstellung von 2.400 zusätzlichen ErzieherInnen. Trotz des erwarteten Defizits von rund einer Milliarde Euro im Landeshaushalt will Thüringen dafür etwa 100 Millionen Euro einstellen.
Die konservative Familienpolitik der bis August 2009 allein regierenden CDU unter Ministerpräsident Dieter Althaus zielte bisher auf Kostenersparnis und Anreize zur häuslichen Kinderbetreuung durch das Landeserziehungsgeld. Widerstand dagegen kam nicht nur aus der Opposition. Eine Initiative sammelte im Vorjahr ausreichend Unterschriften für den Antrag auf ein Volksbegehren. Im Wahlkampf vom Sommer 2009 spielte die Familienpolitik eine maßgebliche Rolle. Die SPD machte sich die Forderungen des Volksbegehrens zu eigen und verlangte mindestens 2.000 neue Stellen für ErzieherInnen. Die CDU lockte mit einem Rechtsanspruch auf einen Platz in einer Kindertagesstätte bereits nach dem ersten Geburtstag.
Beide Punkte finden sich nun in dem Gesetzentwurf, der Ende Januar in den Landtag eingebracht werden soll. Damit wird der Betreuungsschlüssel in Thüringer Kitas deutlich verbessert. Außerdem wird das Landeserziehungsgeld in Höhe von 150 Euro ein Jahr lang unmittelbar im Anschluss an das Bundeserziehungsgeld gezahlt. Das Land erhöht seine Zuschuss-Pauschale pro Kita-Platz und zahlt an die Kommunen weiterhin für jedes neugeborene Kind 1.000 Euro zur Förderung einer kindgerechten Infrastruktur. Fortbildung des Personals und Elternmitwirkung werden gestärkt, eine Integration von Kindern mit besonderem Förderbedarf angestrebt.
SPD-Fraktionschef Höhn nannte das Gesetz „eines der modernsten in Deutschland“. Die Thüringer Städte und Gemeinden misstrauen jedoch der Versicherung der Landesregierung, das neue Kita-Gesetz werde komplett vom Land finanziert und belaste die Kommunen nicht zusätzlich. Hier herrscht Verwunderung darüber, woher angesichts der Haushaltlage die zusätzlichen Millionen kommen sollen. Auch das Volksbegehren will wie geplant und genehmigt am 10. Februar mit seiner Unterschriftensammlung beginnen. „Wir würden das nicht tun, wenn wir eine Garantie hätten, dass der Entwurf so umgesetzt wird“, sagte Sprecher Ralph Lenkert der taz. Mindestens bis zur Mai-Steuerschätzung sei aber eine „freundliche druckvolle Erinnerung“ vonnöten.
Wegen des schrumpfenden Landesetats hatte, ganz im Gegensatz zu Thüringen, die neue schwarz-gelbe Koalition in Sachsen auf die lang diskutierte Verbesserung des Betreuungsschlüssels von 1:13 auf 1:12 verzichtet. Sachsen-Anhalt behält in seinem verabschiedeten und stark defizitären Landeshaushalt das bisherige Ausgabenniveau von 165 Millionen Euro für die frühkindliche Förderung bei.
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