SPD nach der Bundestagswahl: Wowereit muss auch Vize können
Klaus Wowereit wäre gern die Nr. 1 bei den Sozis geworden. Das aber war nicht durchsetzbar - noch nicht. Um seine Chance zu waren, muss Wowereit als Stellvertreter mitmachen.
Wer ihn auch nur ein bisschen kennt, sagt instinktiv: Das geht ja gar nicht. Das Alphatier Klaus Wowereit als Stellvertreter, als zweiter Mann hinter dem designierten SPD-Chef Sigmar Gabriel? Er, der seit zehn Jahren klar Chef ist, erst in der SPD-Fraktion, dann im Roten Rathaus? Enge Parteifreunde und Parteienforscher aber sagen: Das geht. Als Niederlage mag es keiner bewerten, dass Wowereits mit seinem erstem Parteiamt nicht gleich die Nr. 1 wird. Konsens ist hingegen: Wenn er jetzt nicht einsteigt, ist der Zug für ihn abgefahren.
In kleiner Runde hatten am Montagabend Gabriel, Wowereit, SPD-Vize Andrea Nahles und Noch-Arbeitsminister Olaf Scholz Gabriel als künftigen Parteichef ausgekungelt. Offiziell wählt die SPD im November.
Der Berliner Politologe Gero Neugebauer mochte es nicht als Klatsche für Wowereit werten, dass für ihn voraussichtlich der Vize-Posten bleibt: "Er hatte keine Chance, auf Anhieb Vorsitzender zu werden. Und mit dem stellvertretenden Vorsitz erreicht er etwas, was ihm Kurt Beck noch verwehrt hat", sagte er der taz. Der 2008 abgesägte Parteichef Beck hatte bei einer Straffung der SPD-Spitze Nahles, Frank Steinmeier und Peer Steinbrück zu seinen Vizes gemacht.
"Für Wowereit als Vorsitzenden war die Zeit noch nicht reif", sagt auch Parteienforscher Oskar Niedermayer. Das schlechte SPD-Ergebnis in Berlin bei der Bundestagswahl habe Vorbehalte gegen ihn noch bestärkt. Wowereit, der wie kein anderer in der SPD für Rot-Rot stehe, wäre als Parteichef "ein klares Signal, sofort auf neuen Kurs umzustellen - und das scheint nicht durchsetzbar gewesen zu sein".
Den Vize-Vorsitz bewertet auch Niedermayer nicht negativ: "Als Stellvertreter hätte er den Fuß in der Tür." Eine wichtige Rolle spielt laut Niedermayer die Landtagswahl im Mai 2010 in Nordrhein-Westfalen, dem bevölkerungsreichsten Bundesland. "Das wird der Lackmus-Test für eine neue Strategie: in eine Wahl zu gehen, ohne eine Koalition mit der Linkspartei auszuschließen." Bis dahin werde man mit klaren Aussagen zu Rot-Rot-Grün vorsichtig sein.
In der Berliner SPD geben sie sich Mühe, das Bild vom beratungsresistenten Machtmenschen Wowereit zu entschärfen, das bislang prägend war. "Klar, natürlich ist der Klaus, wie er ist", sagt ein Landesvorstandsmitglied. Doch er könne auch im Team spielen, wenn es sein müsse, äußern sich andere führende Sozis. Gerade sein Machtinstinkt befähige Wowereit dazu: Denn wenn er in den nächsten Jahren eine Chance haben will, müsse er jetzt ins Boot. Ähnlich sieht es der Landeschef der Linkspartei, Klaus Lederer: "Er muss jetzt mitmachen, weil die SPD künftig noch weiter in den Keller gehen kann und es dann nichts mehr mitzuentscheiden gibt."
Für zusätzliches Aufsehen sorgte am Mittwoch ein schon vor der Wahl entstandenes Interview von Exsenator Thilo Sarrazin (SPD). "Wäre Wowereit eine Mischung aus Biedenkopf, Brandt und Guttenberg, könnte er natürlich mehr für die Stadt bewirken", so der heutige Bundesbänker. So eine Mischung brauche man nicht, hieß es dazu aus Senatskreisen: "Wowereit ist Wowereit, das Eigene ist das Authentische an ihm." STEFAN ALBERTI
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