■ Kommentar: SPD auf Sparflamme
So kann man es natürlich auch machen: Es gebe in seiner Partei Kräfte, die seit zwanzig Jahren vorrangig die jeweilige Führung bekämpften, schmollte SPD-Fraktionschef Klaus Böger an die Adresse der Parteilinken. Eigentlich hätte Böger diesen Seitenhieb gar nicht nötig gehabt. Immerhin war am Samstag der Landesvorstand der Partei den Protagonisten der Großen Koalition in Sachen Bewag-Totalverkauf und Gebietsreform gefolgt. Bögers Ärger hat deshalb noch einen anderen Grund: die strategische Falle einer Partei, die nichts mehr richtig, dafür aber um so mehr falsch machen kann.
Stimmt der Parteitag morgen der Privatisierungspolitik der Finanzsenatorin zu, gibt er damit die wenigen noch verbliebenen Essentials sozialdemokratischer Kommunalpolitik auf. Schon heute unterscheidet sich die SPD von der CDU ja oftmals nur dadurch, daß die Sozis noch blasser sind als die Diepgens und Landowskys. Die Quittung für die zweite Runde der Großen Koalition könnte für den Juniorpartner dann an deren Ende stehen: der freie Fall zur 19-Prozent-minus-x-Partei – umgeben von der CDU und der PDS als den beiden Regionalparteien einer geteilten Stadt.
Lehnte der Parteitag dagegen die Politik des Landesvorstands ab, wäre auch nichts gewonnen. Zuwenig haben Böger&Co. in der Koalition für eine Umverteilung der Ressourcen, um so mehr dagegen für einen unsozialen Sparkurs und den Fortbestand der Koalition getan, um aus Neuwahlen gestärkt hervorzugehen. Und auch der Anfangsglanz der „Eisernen Lady“ Fugmann-Heesing hat längst schon Rost angesetzt. Wozu, bitte schön, soll man die SPD noch wählen?
Bleierne Zeiten also stehen an, nicht nur für die Sozialdemokratie, sondern auch für die Stadt. Und das nicht nur bis 1999. In Berlin, so scheint es, wackelt die Große Koalition noch so lange im Sattel, bis PDS und Grüne mehr Stimmen haben als CDU und SPD. Und das kann dauern. Uwe Rada
Bericht Seite 23
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