SPD-Zukunft: Ran an den Busfahrer
Was tun in der Krise? Sich mehr um die industrielle Basis der Partei sorgen, sagt der stellvertretende Fraktionschef der Bremer SPD, Martin Günthner (33) im Interview.
taz: Die SPD ist im absoluten Tief - wie kommt sie heraus?
Martin Günthner: Die SPD muss Glaubwürdigkeit zurückgewinnen, sie muss Vertrauen gewinnen, sie muss den Menschen vermitteln, wofür sie eigentlich steht: für Aufstieg, aber auch für soziale Gerechtigkeit. Was tut die SPD eigentlich noch für die Kinder der Krankenschwester und des Busfahrers? Das ist die Frage.
Im Wahlkampf hat die Linkspartei plakatiert: "Weg mit Hartz IV", "Keine Rente mit 67" - wären das genuine Forderungen der SPD gewesen?
Die Diskussion um Rente in Deutschland ist über weite Strecken eine Angst-Diskussion. Rente mit 67 ist ja eine versteckte Rentenkürzung für die Zukunft.
Also berechtigte Angst!
Ja. Aber die Politik hat sich nicht getraut, denen, die derzeit Rente bekommen, zu sagen: Es hat noch nie eine Rentnergeneration gegeben, der es so gut geht wie euch. Wir müssen darüber reden: Wie können wir die Finanzierung auf Dauer sicherstellen. Weil man sich das nicht getraut hat, wollte man die Generation belasten, die jetzt 35 oder 40 ist. Jemand der auf der Werft arbeitet oder in der Stahlindustrie, der kann aber nicht bis 67 arbeiten. Man muss da genau hinschauen. Und man muss darüber reden, ob es ehrlich ist, denen, die jetzt Rente beziehen, Besitzstandswahrung zu versprechen, nur weil sie eine große Wählergruppe darstellen.
Hartz IV - war das ein Fehler?
Der Regierung Schröder ist es mit ihren Reformen gelungen, zwei Millionen sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze zu schaffen. Es gibt aber Bestandteile, die hätten nach kurzer Zeit überprüft werden müssen. Dass jemand, der 30 Jahre gearbeitet hat, nach einem Jahr Arbeitslosengeld bei Hartz IV landet, das geht nicht. Das war falsch.
Es gibt die Forderung, die Bremer Parteiführung von Uwe Beckmeyer und Thomas Ehmke müsse ausgewechselt werden, weil sie zu schwach war.
Die Bremer SPD ist in den letzten einen anderen Weg gegangen als die in Berlin. Wir haben gesagt: Wir müssen mehr tun für die Menschen in der Stadt, die abgekoppelt sind. Das wird jetzt auch auf der Bundesebene gefordert. Personaldebatten sind derzeit in Bremen fehl am Platz, wir wollen nicht über Köpfe reden, sondern über Inhalte.
Die Bremer SPD-Führung ist nicht blass?
Die Frage ist doch: Soll der gewählt werden, der sich am besten inszeniert oder der, der die beste Politik macht. Die Bremer SPD ist mit ihrer Führung, dazu gehören auch der Bürgermeister und der bisherige Fraktionsvorsitzende, gut aufgestellt.
Letzterer geht nach Berlin und muss ersetzt werden. Läuft es auf Jürgen Pohlmann hinaus?
Es gibt mehrere Kandidatinnen und Kandidaten, da muss es bis zum 19. Oktober einen Klärungsprozess geben. Bisher ist mir keine Festlegung bekannt.
Treten Sie an?
Ich bin stellvertretender Fraktionsvorsitzender und habe in dieser Situation keine weitergehenden Ambitionen.
Sollte ein Nachfolger andere Akzente setzen als Carsten Sieling?
Wir sind in der Mitte der Legislaturperiode und dessen, was wir uns dafür vorgenommen haben. Wir haben sehr viel getan für den sozialen Zusammenhalt in Bremen und Bremerhaven. Eine Akzentverschiebung könnte ich mir vorstellen hin zu der Interessenlage derer, die in Arbeit stehen, eben zu der der Krankenschwester und des Busfahrers. Wir müssen uns stärker auf die industrielle Basis zurückbesinnen, auf die Stahlwerker und die Mercedes-Arbeiter.
Wie Mercedes nach dem Ende der Kurzarbeit seine Arbeit verteilt oder ob der zweite Hochofen weiter läuft, das wird doch nicht in Bremen entschieden.
Wir können die Rahmenbedingungen beeinflussen und dafür sorgen, dass den Firmen, die viel tun für Beschäftigung in Bremen, nicht noch Steine in den Weg gelegt werden.
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