SPD-Spitzenkandidat im Südwesten: Uwes Welt
In Pforzheim führt bei der Kommunalwahl der frühere Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück die SPD-Liste an – wohl erst der Anfang seiner Parteikarriere.
Dass er dabei jede zweite Ampel bei Dunkelgelb überfährt und sich auf der Suche nach einer Abkürzung mal verirrt – was soll’s. Hauptsache, er kommt am Ende richtig an. Auch wenn der SPD-Vizekreisvorsitzende Christoph Mährlein – „ich lege auf Autos nicht so viel Wert wie Uwe“ – im ältlichen Opel schneller am Ziel ist, warten dort alle nur auf einen: den Uwe.
Uwe Hück war bis vor Kurzem noch der legendäre Betriebsratschef bei Porsche, jetzt will nun in den Pforzheimer Gemeinderat einziehen. Sein Weg in die Politik ist ein wenig wie die Spritztour durch Pforzheim: Viel PS unter der Haube, aber nicht immer ganz zielgenau.
Erst wollte Uwe Hück in Pforzheim mit einer eigenen Liste antreten. Seine SPD, der er seit Jahrzehnten angehört, habe das Siegen verlernt, kraftmeierte er im Fernsehen. Die reagierte verschnupft, drohte gar mit Parteiausschluss. Erst als ihn sein Buddy Sigmar Gabriel fragte, ob er denn „ein Loch im Kopf“ habe, kam Hück ins Grübeln. Als dann noch SPD-Landeschef Andreas Stoch ins Porschewerk pilgerte, ließ sich Hück doch zu einer Kandidatur auf Platz eins der Pforzheimer SPD-Liste erweichen.
Wer hat Hück bei Porsche vertrieben?
Die nahm das mit erstaunlich wenig Widerspruch hin. Man erkannte wohl, dass man einem vermeintlichen Heilsbringer bei gerade einmal sieben Sitzen im Gemeinderat und einer Flaute für die Partei insgesamt nicht einfach die Tür weisen darf. Auf Plakaten ist also jetzt der markante Glatzkopf zusammen mit der Kreisvorsitzenden Annkathrin Wulff zu sehen, die für den Promi auf Platz zwei ausgewichen ist.
Dabei ist nicht ganz klar, was ihn bei Porsche – der „geilsten Firma der Welt“ (Hück) – von heute auf morgen vertrieben hat. Spekulationen wollen nicht verstummen, der Grund könnten trübe Machenschaften des Betriebsrats gewesen sein.
Der 57-Jährige erklärt alle diese Spekulationen für „Quatsch“. Es sei der perfekte Zeitpunkt zum Umstieg in die Politik gewesen. Er wollte noch einmal ganz unten anfangen. Auch die örtliche SPD beteuert tapfer, man glaube nicht, dass da noch ein Skandal ans Licht komme. Schließlich ist man froh, ihn zurück ins Parteiboot gezogen zu haben.
Uwe Hück ist in Pforzheim kein Fremder. Er hat in der Stadt schon bisher Spuren hinterlassen. Er ist langjähriger Vorsitzender des Fußballvereins FSV Buckenberg, bei dem er vom Bus bis zum Kunstrasen vieles gesponsert hat. Mit seinem eigenen Vermögen und vielen Spenden hat der zweimalige Europa-Meister im Thaiboxen eine Lernstiftung gegründet, eine clevere Kombination aus Fitnessstudio und Förderschule für Jugendliche auf dem Weg in den Beruf. Zur Eröffnung kamen Ralf Möller und Sigmar Gabriel. Am Eingang hängen ein im Boxring jubelnder Hück in Überlebensgröße und ein Foto mit Arnold Schwarzenegger. Dazu die Botschaft, die Hück vorlebt: „Ihr könnt es alle schaffen.“
„It’s a Man’s World“, diese Welt des Uwe Hück, des Jungen aus dem Kinderheim, der mit den Piëchs und Wiedekings auf Augenhöhe verhandelt hat, aber immer noch so spricht wie der Lackierer am Band. In dieser Welt wird jeder gnadenlos geduzt, und an Ostern werden Witze über dicke Eier gemacht.
Hart, aber herzlich, auch wenn er im Herbst wieder in den Boxring steigt, um Geld für soziale Zwecke einzusammeln. Motto: „Blaue Flecke für gute Zwecke.“ Beim Wahlkampf in Hamburg-Eppendorf hätte er es mit seiner Art schwer. In Pforzheim liegt er damit aber womöglich genau richtig. Vielleicht spricht so einer ja genau jene Wähler an, die der einstigen Aufsteigerpartei SPD über die Jahre verloren gegangen sind.
Versuchsfeld Pforzheim
Pforzheim ist dafür jedenfalls das richtige Versuchsfeld. Zumindest für baden-württembergische Verhältnisse ist die Stadt ein raues Pflaster. Früher mal eine Schmuckmetropole, wurde sie im Krieg ähnlich wie Dresden schwer zerstört. Heute hat die Stadt mit ihren 124.000 Einwohnern hohe Schulden, eine hohe Arbeitslosigkeit vor allem bei Jugendlichen, kämpft mit maroden Wohnungen.
Jugendtreffs werden geschlossen, Schwimmbäder gammeln vor sich hin. Und dann kommt noch dazu, was der AfD bei den Landtagswahlen aus dem Stand einen Direktkandidaten beschert hat: die schlechte Integration der migrantischen Bevölkerung. Darunter viele Russlanddeutsche und zuletzt viele Flüchtlinge.
Hück kennt die Schmuddelecken der Stadt, er habe als Junger mal als „größter Türsteher Pforzheims“ gearbeitet, sagt er, heute hört er von den Jungs ins seiner Lernstiftung, was auf der Straße los ist. Hück spricht unverblümt darüber: Es gebe No-Go-Areas, sagt er. Laufe man durch die Fußgängerzone, „siehst du nur noch Ausländer“. Pforzheim, sagt Hück, sei „eine Zeitbombe“.
Konkrete Vorschläge gibt es nicht
Wie das alles gelöst werden soll, bleibt auch bei Hück allgemein. Mehr Investoren müssten in die Stadt, findet er. Aber wohin? Es fehlt an Industrieflächen. Man müsse mehr für das Handwerk tun, findet Hück, gleichzeitig will er die Stadt fürs digitale Zeitalter fit machen. Dunkle Winkel in der architektonisch verunglückten Stadt müssten weg, stattdessen öffentliche Einrichtungen wie Jugendclubs gestärkt werden. Bei den leeren Stadtkassen wird das nicht leicht.
Am Ende müssten die Leute halt selbst anpacken, Pinsel und Kelle in die Hand nehmen, sagt Hück und wippt ungeduldig mit dem Fuß. Wie bei seiner Lernstiftung, die die Jugendlichen selbst ausgebaut hätten. Die Revolution müsse von den Bürgern ausgehen, nicht von den Politikern. Und dann folgt wieder einer dieser Hück-Sprüche: „Das Hemd schwitzt nicht von alleine.“
Die Kampfrhetorik Hücks später in Gemeinderatsvorlagen zu gießen, bleibe wohl auch im Stadtrat eher die Aufgabe der Mitarbeiter, prognostiziert SPD-Mann Mährlein, während er am Steuer seines Opel versucht, den Porsche nicht zu verlieren. Aber für den Kleinkram hat man Hück ja auch nicht auf die Liste gesetzt. Er soll das Zugpferd sein, das die SPD aus dem Stimmentief zieht. Erst in Pforzheim, dann im Land – und danach? Wer weiß. Uwe Hück läuft sich jedenfalls gerade erst warm.
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