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SPD-Spitzenkandidat Torsten AlbigJetzt mal nur ich

Torsten Albig hat für Lafontaine gesprochen, für Eichel und für Steinbrück. Nun probiert er etwas völlig Neues: Er spricht für Torsten Albig.

Lange Jahre Sprecher mächtiger Männer, nun will er SPD-Ministerpräsident in Schleswig-Holstein werden: Torsten Albig. Bild: Olaf Bathke

KIEL taz | Der Sozialdemokrat Torsten Albig, 48, Souffleur, Regisseur, Double, ist plötzlich allein auf der Welt. Er sitzt im Kieler Rathaus, im riesigen Oberbürgermeisterzimmer mit der Kastendecke aus Holz, das auch durch das Papierchaos auf dem Schreibtisch nicht voller wird. Sein Freund Peer Steinbrück verlustiert sich in Berlin als Kanzlerkandidatenoption. Albig gegenüber sitzt der Pressesprecher seines schleswig-holsteinischen SPD-Rivalen Ralf Stegner, den Albig nicht abgemurkst hat, obwohl er ihn bei einem Mitgliederentscheid um die Spitzenkandidatur im Lande besiegte.

Aber er braucht vielleicht auch keinen eigenen Sprecher, er war das ja selber. Bei Oskar Lafontaine, Hans Eichel und zuletzt Steinbrück. "Es ist schon die Aufgabe von uns Sprechern, die so zu entlasten, dass wir den Multiplikator deutlich nach oben treiben", sagt er gerade. Er formuliert das tatsächlich so: von uns Sprechern. Obwohl er doch sein eigener Herr ist. Aber er hängt noch zwischen den Rollen. Politiker und Pressesprecher - über beide kann man von ihm etwas lernen.

Er war Mitte dreißig und Referent bei der SPD in Bonn. Schröder und Lafontaine wollten Kohl endlich wegkriegen, und Albig, von Haus aus Finanzbeamter, durfte ihr Steuerkonzept durchrechnen. Als Kohl besiegt war, nahm ihn Lafontaine mit ins Finanzministerium. Aber er machte ihn nicht zum Steuerstrategen, sondern zum Pressesprecher.

Lafontaine

Albig hat seine Macht gegenüber Journalisten registriert. Sie wollen Exklusivität. Nähe. Auf der anderen Seite stieß er an die Grenzen von PR. In seiner Wahrnehmung schuftete Lafontaine und hatte als Regierungschef im Saarland brutal gespart. Aber die Medien sahen den Minister als Hallodri, der das Geld nicht zusammenhält. "Es gab schon ein Bild, das war so überragend, es gelang mir nicht, irgendetwas dagegen zu machen. Ich laufe mit ner 80-Watt-Birne rum und versuche den auszuleuchten. Und die Medien haben schon so einen 1.000-Watt-Strahler auf Lafontaine drauf."

Der Minister hält Albig auf Distanz. Er ist allein in den Kampf gegen Schröder gelaufen. Aber einmal, auf einem Tiefpunkt, sind sie doch verbunden. Lafontaine sitzt vor der Bundespressekonferenz und will ein Steuerdetail erklären. Es gibt Fernsehbilder davon. Albig souffliert unendlich langsam die Stichworte. "Rückstellungen", "Plus vier", "Abzinsung", "1,8". Der kleine große Mann plappert es nach, die Journalisten kichern.

Eichel

Nach Lafontaine kommt Hans Eichel. Erst Studienrat, dann Oberbürgermeister in Kassel, Ministerpräsident in Hessen. Er ist: die Büroklammer. Aus ihm wird: der Sparhans, ein sympathischer Antiheld, ein Gegenpart zum impulsiven Lafontaine, aber auch zum wilden Schröder. Eichel und Albig fangen den Tag um 7.30 Uhr an. "Wir haben die Sparschweine, die Leitplanken erfunden und gesagt: Politik braucht Leitplanken, sowohl Konsolidierung als auch Steuersenkung. Alles Dinge, die bei Lafontaine schon da waren. Aber Eichel glaubte man das. Ich stand mit meiner 80-Watt-Birne im dunklen Raum - und auf einmal war es hell."

Licht. Was für ein Job! Sie genossen den Erfolg.

Aber irgendwann muss Albig der Sparhans zu langweilig geworden sein, er wurde Sprecher der Dresdner Bank. Er erlebte, wie es ist, einen Vorstand zu zwingen, seine Geliebte in die Zeitung zu zerren, weil Bild Druck macht. Verhandeln für einen anderen, entscheiden für einen anderen, schreiben für einen anderen. Und wie die Allianz die Dresdner Bank schluckte. Da ging er lieber nach Kiel, als Dezernent in der Stadtverwaltung.

Steinbrück

Irgendwann war Peer Steinbrück am Telefon, der gerade abgewählte Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, der nun Finanzminister in Berlin werden sollte. Einer, der gern Risiko spielt, der selber gern inszeniert.

Sie gingen nach Berlin. Dann begann ein interessanter Prozess. Albig beschreibt, wie er so oft wie möglich mit Steinbrück unterwegs war. Er stand neben ihm und beobachtete. Wann er nervös wurde, wann laut, wann er sich zurückzog. Schnoddrigkeit, Breitbeinigkeit, Vorsicht. Er versetzte sich in den anderen. Irgendwann gelang es ihm, den Journalisten eine Illusion zu vermitteln. Sie riefen Albig an und schlürften das Gefühl, praktisch mit dem Minister selbst zu sprechen. Dabei war nur Albig am Apparat. Der überlegte, was Steinbrück jetzt wohl sagen würde. Sagte es. Die Journalisten glaubten es. Steinbrück deckte es.

Bild: taz

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Er mochte sein Double.

Doch dann hat sich Albig gelöst und in Kiel bei der Oberbürgermeisterwahl kandidiert.

Warum? Vielleicht stimmt es, dass er die Inszenierungen der Hauptstadt über hatte. Er nennt sie Pressespiegelwelt, die draußen niemand interessiere. "Ich habe darin gebadet. Ich erlebe das immer wieder und zerbreche daran nicht, dass es eine virtuelle Welt war. Es gibt Menschen, die Schaum reinschütten, die Badeperlen werden immer nachgefüllt. Berlin ist ein tolles Vollbad - auch wenn der Badeperlenschaum wieder zerplatzt."

Die Inszenierung wird Wirklichkeit

Im Kieler Rathaus regiert bis dahin Angelika Volquartz von der CDU, Spitzname Püppie. "Wir hauen Püppie aus den Pumps." Simst Steinbrück. Oder sagt Albig, dass Steinbrück gesimst hat. Die Medien schreiben auf jeden Fall, dass Steinbrück das gesimst hat. Ist ja auch ein knackiger Satz.

Die Inszenierung wird Wirklichkeit. Püppie rauscht aus den Pumps. Und Albig ins Rathaus. Es dauert nicht lange, da will er Spitzenkandidat fürs Amt des Ministerpräsidenten werden und die CDU auch im Land ablösen. Eigentlich wollte das ein anderer, Ralf Stegner, SPD-Chef im Norden. Aber Stegner hat das Lafontaine-Problem. Er kriegt das Bild einfach nicht weg, ein biestiger Besserwisser zu sein, der Fliege trägt.

Albig gewinnt. Nun ist er der Kandidat. Was will er überhaupt?

Manuela Schwesig möchte die Mütter stützen, Thorsten Schäfer-Gümbel den Schwachen helfen und Karl Lauterbach die Welt gesundmachen. Sie würden nie von Spaß reden. Albig schon. Er sagt sogar: "Es macht wahnsinnig Spaß - das hab ich bei der OB-Wahl gelernt: Gewinnen an sich ist etwas sehr Aufregendes."

Man denkt, dass das ehrlich ist, vielleicht die ehrlichste Äußerung, die man seit Langem von einem Politiker gehört hat. Aber sie ist auch beklemmend.

Ist er ein unernster Mensch? Er erzählt, wie das ist in der Kommunalpolitik. Wo man selber dafür sorgen kann, dass an der Berufsschule nicht die Fensterläden abfallen. Auch befriedigend. "Sie sind nicht mehr doppeltes Lottchen, sondern Gestalter."

Die Wahl ist 2012. Albig wird Albig inszenieren. Es gibt noch kein fertiges Bild, keinen 1.000-Watt-Strahler wie bei Lafontaine.

Also? "Einer, der neugierig ist, aufgeschlossen ist, aber auch die technische, bürokratische, politische Kompetenz hat, Dinge voranzutreiben."

Hm.

"Wie das in zehn Jahren sein wird, was für ein Arsch ich wirklich bin, das wird sich dann noch zeigen."

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