: SED-Millionen für Moskaus Kneipen?
Anwalt von SED-Treuhänder Girke: Kontakte mit Wladimir Schirinowski „rein geschäftlich“ / Geld floß auf Konten in Rußland / Abgezweigte Millionen sollen „Provision“ gewesen sein ■ Von Barbara Dribbusch
Berlin (taz) – Die über die Berliner Verwaltungsfirma TVO verschwundenen SED-Millionen sollen nicht unterschlagen, sondern vom TVO-Geschäftsführer Werner Girke als Provision zurückbehalten worden sein. Diese Version schilderte gestern der Anwalt von Girke, Hubert Dreyling, gegenüber der taz. Dreyling will jetzt gegen die Beschlagnahme der Firma seines Mandanten juristisch vorgehen. Er bezeichnete die Unterschlagungsvorwürfe gegenüber dem ehemaligen Geschäftsführer der TVO, Werner Girke, als „verleumderischen Schwachsinn“. – Wie berichtet, wurde die Firma TVO am vergangenen Donnerstag von Kripobeamten durchsucht und ein neuer Geschäftsführer eingesetzt. Dem bisherigen Geschäftsführer Werner Girke wird vorgeworfen, vier Millionen Mark aus dem Auslandsvermögen der ehemaligen SED unrechtmäßig abgezweigt zu haben. Das Geld soll auf Konten in Rußland und andere osteuropäische Länder geflossen sein. Girke werden in diesem Zusammenhang auch Kontakte zu dem russischen Faschisten Wladimir Schirinowski nachgesagt. – Dreyling bestätigte gestern, daß sein Mandant Geld nach Rußland transferiert habe. Dies seien aber ganz normale Geschäfte „in der Gastronomie“ gewesen. Girke habe auch, wie berichtet, einmal im Dezember im österreichischen Kärnten Schirinowski getroffen. Dies sei über Vermittlung anderer Geschäftsleute geschehen und habe keinerlei politischen Hintergrund gehabt. Dabei sei es um ganz normale Geschäfte gegangen. Bei den derzeit in Moskau herrschenden chaotischen Verhältnissen bräuchte man als Kaufmann „politische Protektion“.
Dreyling betonte, Girke habe die verschwundenen vier Millionen Mark lediglich als Provision und „Aufwendungsersatz“ für seine Tätigkeit für die Berliner Treuhandanstalt zurückbehalten. Girke hatte mit seiner Firma TVO als Verwalter des Auslandsvermögens der ehemaligen SED fungiert. Seit 1991 arbeitete der Kaufmann mit der Treuhandanstalt zusammen und transferierte mehr als 50 Millionen Mark des Auslandsvermögens an die Treuhand. Im Rahmen dieser Transaktionen hatte Girke von der Treuhand eine Provision von zwei Millionen Mark gefordert, die ihm aber verweigert worden sei, so erklärte Treuhanddirektor Josef Dierdorf in der vergangenen Woche gegenüber der Presse.
Der Kaufmann wird nicht nur der Unterschlagung von Geldern und Unterstützung Schirinowskis verdächtigt. Auch soll Girke Gelder aus dem ehemaligen SED-Vermögen für die PDS „geparkt“ haben, was aber sowohl von Dreyling als auch der PDS bestritten wird.
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