piwik no script img

SED-Entlastungsbericht vorgelegt

■ Der Zwischenbericht der SED-internen Untersuchungskommission enthält kaum Neues zur Korruption in der Partei / In erster Linie geht es wieder um die Entlastung der Gesamtpartei

Berlin (taz) - In erster Linie Beruhigungsfunktion hat der jetzt veröffentlichte Zwischenbericht der parteiinternen Untersuchungskommission über Korruption und Amtsmißbrauch in den Reihen der SED, der gestern im 'Neuen Deutschland‘ veröffentlicht wurde. Die Kommission, die von Gregor Gysi bis zu seiner Wahl zum Parteivorsitzenden geleitet wurde, besteht aus namentlich nicht bekannten Parteimitgliedern, die nicht dem ehemaligen Parteiapparat angehören.

Für den Zwischenbericht wurden insgesamt 1.232 Hinweise ausgewertet, die sich auf 200 Parteimitglieder beziehen. Gegen die Mehrheit der Mitglieder und hauptamtlichen Mitarbeiter gäbe es keine belastenden Hinweise. Noch bevor der Bericht auf einige konkrete Vorgänge im Zusammenhang mit den Lebensgewohnheiten in der Prominentensiedlung Wandlitz eingeht, verwahrt sich die Kommission gegen Versuche, die Ermittlungen zur Begleichung persönlicher Rechnungen zu mißbrauchen.

Deutlich betont wird die Tatsache, daß Wandlitz dem Ministerrat unterstand und von diesem finanziert wurde. Mitgliedsbeiträge und sonstiges Parteivermögen seien für die Unterhaltung der Prominentensiedlung nicht verwandt worden. Die Partei, so der Bericht, „besaß und besitzt nicht einen einzigen Volvo“. Alle Angestellten im Dienstleistungsbereich waren Mitarbeiter der Staatssicherheit. Gemäß einer internen Anweisung waren sie „zur optimalen und niveauvollen Betreuung und Versorgung der führenden Repräsentanten verpflichtet“.

Neben entlastenden Beteuerungen konzentriert sich der Bericht im wesentlichen auf die „Vergehen“ der ehemaligen Politbüromitglieder. Er listet etwa das exzessive Kaufverhalten der Familien Mittag und Sindermann in Sachen westlicher Elektronik auf oder spürt den Tankstellenbesuchen von Familie Honecker nach. Ausführlich beschrieben wird der Fahrzeugpark Honeckers.

Der eigentliche Glanzpunkt des Berichtes ist ein Zitat aus dem Befehl Nr.19/84, nach dem jeder Mitarbeiter der Waldsiedlung die Betreuung „mit hoher Einsatzbereitschaft, revolutionärer Wachsamkeit und tschekistischer Meisterschaft zu realisieren“ habe.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen