: Rußlands neue Regierung will leichter leben
■ Premier Tschernomyrdin wünscht enge Zusammenarbeit mit dem Parlament und wirtschaftliche „Korrekturen“ / Noch kein Finanzminister nach Fjodorows Rücktritt
Moskau/Bonn (AFP/AP) – Die von konservativen Kräften dominierte neue russische Regierung ist gestern im Weißen Haus in Moskau zu ihrer ersten Sitzung zusammengetreten. Über die Ernennung eines neuen Finanzministers nach dem Rücktritt von Boris Fjodorow sei nicht gesprochen worden, erklärte der Sprecher von Regierungschef Viktor Tschernomyrdin, Valentin Sergejew.
Tschernomyrdin forderte seine Kollegen zu „enger und geschäftsmäßiger“ Zusammenarbeit mit dem Parlament auf. Regierung und Abgeordnete hätten „gemeinsame Interessen“. Das neue Kabinett werde den wirtschaftspolitischen Kurs nicht dramatisch ändern; allerdings werde es einige „Korrekturen“ geben, „um das Leben der Leute leichter zu machen“. Der derzeitige Produktionsstillstand bei zahlreichen Unternehmen sei eines der wichtigsten Probleme, das die neue Regierung lösen müsse. Im Gegensatz zu der auf die Inflationsbekämpfung konzentrierten Politik der Radikalreformer verfolge die neue Regierung das Ziel, zunächst die Produktion wiederanzukurbeln. Moskau werde seinen Verpflichtungen gegenüber IWF und Weltbank nachkommen. Für den 17. Februar soll nach Angaben von Regierungssprecher Valentin Sergejew eine erweiterte Kabinettssitzung einberufen werden.
Jelzin hatte erst am Donnerstag abend nach schwierigen und langwierigen Verhandlungen mit Tschernomyrdin seine Zustimmung zu der neuen Ministerliste gegeben, der der bisherige Finanzminister und Radikalreformer Boris Fjodorow nicht mehr angehört. Ein Angebot des Präsidenten, im Amt zu bleiben, hatte dieser kurz zuvor abgelehnt.
Der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl telefonierte gestern mit Boris Jelzin. Regierungssprecher Dieter Vogel sagte in Bonn, Jelzin sei überzeugt, daß er mit der neuen Regierung und auch mit beiden Kammern des Parlaments ein „Arbeitsverhältnis“ herstellen könne, das die Reformpolitik sichere. Kohl habe ihm Erfolg gewünscht und weitere deutsche Unterstützung zugesagt. Auch die Vereinigten Staaten wollen die Reformpolitik in Rußland weiter unterstützen. Ein Mitarbeiter von US-Präsident Bill Clinton, der nicht genannt werden wollte, erklärte am Donnerstag, die Unterstützung der Reformen in Rußland bleibe das vorrangige außenpolitische Ziel Clintons.
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