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Russisches Roulette

■ Das Oldenburger Sozialamt wollte einem AIDS-Kranken die Gummis nicht bezahlen

Peter L. aus Oldenburg (Name von der Redaktion geändert) traute seinen Augen nicht, als er den Bescheid des Sozialamtes las. Der AIDS-kranke Mann, der zu 100 Prozent schwerbehindert und arbeitsunfähig ist, hatte bei der Behörde die Bezahlung von Kondomen beantragt. „Bei einer Sozialhilfe von 475 Mark muß ich jeden Pfennig umdrehen. Da ist für Präser nichts mehr übrig. Mein Freund ist noch in der Ausbildung und hat auch kein Geld. Er ist negativ, und das soll auch so bleiben“, argumentierte Peter L. gegenüber der Behörde.

Der Ablehnungsbescheid kam prompt. Die Begründung: Kondome werden zwar bezahlt, „wenn nach der besonderen Lebenssituation eines Hilfeempfängers eine erhöhte Infektionsgefahr“ besteht. Aber: „Wie Sie in Ihrem Antrag jedoch selbst angeben, sind Sie bereits erkrankt. Die Übernahme der Kondome im Rahmen der vorbeugenden Gesundheitshilfe kommt daher in ihrem Fall leider nicht mehr in Betracht.“

„Mit anderen Worten, bei mir ist schon alles egal“, sagt Peter L. verbittert. Beim Sozialamt versuchte er, die zuständige Sachbearbeiterin umzustimmen. „Wir können doch nicht russisches Roulette spielen.“ Doch das schien die Mitarbeiterin des Sozialamtes nicht zu beeindrucken. „Die hat glatt gesagt, das sei ihr doch egal“, empört sich Peter L. „Im Zimmer waren noch zwei andere Sachbearbeiter, die jeweils einen Klienten hatten“, erzählt er weiter. „Vor all diesen Leuten hat sie dann ganz laut gesagt, daß es ja schließlich auch meine eigene Schuld sei, daß ich AIDS habe.“

Mit dem Hinweis, er solle sich doch bei der AIDS-Hilfe in Oldenburg mit Gummis versorgen, wurde Peter L. wieder weggeschickt. „Das ist eine absolute Frechheit“, regt sich Peter Bahlmann von der AIDS-Hilfe in Oldenburg auf. „Wir haben nicht das Geld, Kondome zu verteilen. Das ist und bleibt Sache des Sozialamtes.“

Tatsächlich gibt es nach Paragraph 36 des Bundessozialhilfe-Gesetzes die Möglichkeit, „Personen, bei denen nach ärztlichem Urteil eine Erkrankung oder ein sonstiger Gesundheitsschaden droht“, eine „vorbeugende Gesundheitshilfe“ zu gewähren. In Bremen kein Problem: „Kondome gibt es kostenlos bei der AIDS-Beratung des Gesundheitsamtes. Wenn eine ärztliche Bescheinigung vorliegt, werden bei HIV-Positiven die Kosten für Kondome vom Sozialamt übernommen“, beschreibt Wolfgang Beyer, Pressereferent beim Senator für Gesundheit, die gängige Praxis.

„Das ist auch hier so“, betont Anja-Maria Gieselmann, Pressesprecherin der Stadt Oldenburg. „Uns tut der Vorfall wahnsinnig leid“, fügt sie hinzu. Der Abteilungsleiter habe sofort nach diversen Anrufen von Zeitungen eingeräumt, daß die Entscheidung der Sachbearbeiterin falsch gewesen sei. Die Gummis werden künftig bezahlt: „Der Bescheid und die Entschuldigung gehen heute noch mit der Post raus“, verspricht sie. Wie es zu den von Peter L. dargestellten Äußerungen der Sachbearbeiterin kommen konnte, weiß die Pressesprecherin nicht. „Ich glaube, daß seine Darstellung richtig ist. Entschuldigen kann man das nicht. Die MitarbeiterInnen haben mitunter sehr viel zu tun und sind nicht immer ausgeglichen. Herr L. ist aber auch niemand, der ihnen die Arbeit leichter macht.“ Die Sachbearbeiterin will sich gegenüber der Presse nicht äußern. Ihrem Vorgesetzten soll sie demnächst allerdings Rede und Antwort stehen.

Peter L. atmet tief durch, als er die Antwort des Sozialamtes hört. „Ich hoffe nur, daß man mich in Zukunft normal behandelt – und nicht wie einen Aussätzigen. Das ist alles, was ich will.“ ksc

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