: Runder Tisch für Aids-Ambulanz
■ SPD will alle Gruppen zusammenbringen, um Bedenken auszuräumen
„Wir wollen für die Aids-Patienten das Beste rausholen“, versichert Waltraud Hammerström. Das Beste ist für die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bürgerschaftsfraktion eine Aids-Ambulanz, wie sie in Hannover bereits seit Anfang der 80er Jahre existiert. Zuerst innerhalb einer medizinischen Polyklinik und ab 1987 in speziellen eigenen Räumen. Um dem Hannoveraner Vorbild zu folgen, will die Bremer SPD ab Januar alle Beteiligten an einen Tisch rufen, um das Projekt voranzubringen, das von Selbsthilfe-Initiativen schon seit Jahren gefordert wird.
Waltraud Hammerström hat bereits eine Liste von etwa 20 Interessengruppen aus dem Gesundheitswesen in der Tasche, die am Entscheidungsprozeß beteiligt werden müssen: vom Rat und Tat-Zentrum für Homosexuelle über die Krankenkassen bis hin zu den Kliniken.
Der Mitinitiator der Hannoveraner Ambulanz, Professor Schedel, ein alter Hase im Kampf gegen AIDS, warnt allerdings vor zuviel Optimismus: „Sie laufen zunächst gegen die Wand“, bringt der Mediziner seine Erfahrungen aus Hannover auf den Punkt. Schedel referierte gestern auf dem Expertenhearing der SPD im Rahmen des Welt-Aids-Tages im Haus der Bürgerschaft. „HIV-Infizierte haben keine Lobby und werden von vielen immer noch als Schwule abgestempelt, die ihre Krankheit selbstverschuldet haben“, sagte Schedel. Diese „moralischen Barrieren“, die immer noch in vielen Köpfen herumspukten, machten es schwierig, die Interessen der HIV-Infizierten durchzusetzen.
Dabei lägen die Vorteile einer Aids-Ambulanz auf der Hand, versichert der Professor. Denn sie sei im Vergleich zur stationären Behandlung in der Regel billiger. Der Pflegesatz für ein Krankenhausbett liege täglich pro Patient bei 1.500 bis 2.500 Mark. Die ambulante Pflege sei nur in Ausnahmefällen so teuer, nämlich bei schwerkranken Patienten, die rund um die Uhr von einem privaten Pflegedienst betreut werden müßten und besonders teure Medikamente benötigten.
Auch in Punkto Lebensqualität sei für die Patienten die ambulante Behandlung in jedem Fall der stationären vorzuziehen, da der Kranke im Kreis der Familie oder von Freunden gepflegt werden könnte.
Voraussetzung, damit ein ambulantes System funktionieren könne, sei allerdings, daß die niedergelassenen Ärzte eine Aids-Ambulanz nicht als Konkurrenz, sondern als Unterstützung, als Informations- und Beratungsstelle für ihre Arbeit akzeptierten. Zumal der Arzt die primäre Bezugsperson für den Patienten bleibe – und die Ambulanz eher für Therapie- oder Lebensplanung zuständig sei.
Bisher haben sich in Bremen lediglich zwei niedergelassene Ärzte auf die Behandlung von Aids spezialisiert. Das sei auch „ein Kompetenzverlust in Bremen“, die Patienten wanderten ab, resümiert SPD-Frau Hammerström.
Die meisten Bremer HIV-Infizierten lassen sich in Hannover oder Hamburg behandeln – einige fahren sogar bis nach München. Wenn in Bremen eine Aids-Ambulanz eingerichtet würde, müßten die 2.000 Bremer HIV-Infizierten (so die Schätzung des Robert-Koch-Instituts) keine langen Wege mehr in Kauf nehmen. Sie könnten dann auch in Bremen früher an neue Medikamente herankommen, weil in der Aids-Ambulanz auch klinisch geforscht werden sollte.
Und genau dieser Zusammenhang zwischen Behandlung und Forschung sei für Aids-Patienten „extrem wichtig“, weil so „Leben verlängert werden könnten“, versicherte Schedel. Kirsten Hartje
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