piwik no script img

Rugby im Schatten des Union Jack

■ Bei den Hamburg Exiles spielen fast nur Briten / Feier zum 30jährigen Bestehen Von Olaf Zühlke

Hamburg gilt als die englischste aller deutschen Städte. Nirgendwo sonst werden hierzulande mehr Jaguar verkauft, nirgends wird mehr über das Wetter gemeckert. Und sogar einen original britischen Rugby-Club gibt es in der Hansestadt, und das schon eine ganze Weile: Der Hamburg Exiles Rugby Football Club feiert morgen sein 30jähriges Vereinsjubiläum.

Es war allerdings nicht Queen Elizabeths unbarmherziges Regiment, das die etwa 35 aktiven Clubmitglieder ins Hamburger Exil getrieben hat. Im Gegenteil: Der Verein unterhält beste Beziehungen zur Regierung Ihrer Majestät – der jeweilige Britische Generalkonsul in Hamburg ist traditionell auch Ehrenpräsident der Exiles. Die meisten Spieler halten sich aus beruflichen Gründen vorübergehend fern der Heimat auf. Engländer, Schotten und Waliser bilden zwar die Mehrheit der Clubmitglieder, aber auch Iren, Neuseeländer, Australier und drei anglophile Deutsche umkämpfen das Rugby-Ei im Schatten des Union Jack.

Für den Präsidenten, John Holway, liegt das spezifisch Britische des Vereins in der Lockerheit und Offenheit der Sportler und im typisch englischen Sportsgeist: „Nach dem Spiel gehen wir immer mit den Gegnern in die Kneipe, egal ob wir gewinnen oder verlieren“, sagt der 34jährige Stürmer, „andere Mannschaften kommen nur mit, wenn sie gewonnen haben.“ Bei den dann folgenden Feiern zeigen sich die Spieler als inzwischen voll vertraut mit hiesigen Gebräuchen und konsumieren literweise ordinäres deutsches Bier – ein Getränk, das im Rugbysport offenbar eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt.

Nationalistische Exzesse sind bei den Exiles dagegen nicht zu befürchten. Nur wenn Länderspiele im Fernsehen übertragen werden, kommt ein wenig Patriotismus auf. Der harte Kern der Rugby-Fans fährt dann zum britischen Armeegelände ins niedersächsische Bergen. Die glücklichen Soldaten haben dort eine Spezialantenne für's englische Programm.

Der Anlaß zur Clubgründung vor 30 Jahren war die Engstirnigkeit der hiesigen Rugby-Funktionäre. Der Verband ließ seinerzeit nur drei ausländische Spieler pro Mannschaft zu, außerdem wurde von jedem Spieler ein Freistellungsbescheid seines letzten ausländischen Vereins gefordert. Frustriert von Bürokratie und Formalismus des deutschen Vereinswesens, durchkämmten die Gründerväter der Exiles 1966 das Hamburger Telefonbuch nach englisch klingenden Namen, um eine vollständige Mannschaft zusammenzubringen. Zunächst war der Club ein reiner Freizeitverein, der nur hin und wieder Freundschaftsspiele mit anderen Hamburger Mannschaften oder britischen Militärteams austrug. Mittlerweile nehmen die Exiles aber auch am regulären Ligabetrieb teil.

Von sportlichen Erfolgen werden die Rugby-Flüchtlinge dabei allerdings nicht verfolgt. Obwohl die Exiles-Spieler in ihrer Heimat mit dem Rugbysport aufgewachsen sind, ziehen sie gegen andere Hamburger Vereine wie den FC St. Pauli oder den Hamburger Rugby-Club meist den kürzeren. Grund dafür ist, laut Holway, die „flüssige Struktur“ des Vereins. Damit ist nicht der Alkoholpegel der Mannschaft gemeint, sondern die starke Spielerfluktuation: Weil viele Akteure die Stadt meist des Jobs wegen bereits nach kurzer Zeit wieder verlassen müssen, verwandelt sich oftmals ein eingespieltes Dream-Team kurzfristig in eine Verlierertruppe. „Die Stimmung ist gut, die sportliche Leistung nicht so, aber man kann nicht alles haben“, faßt Holway den Stand der Dinge zusammen.

Gute Stimmung ist auch auf dem Jubiläumsfest im Stadtpark zu erwarten, das morgen bei den Rugbyplätzen an der Saarlandstraße steigt. Zuschauer sind herzlich willkommen, alle ehemaligen Exiles und die Mitglieder der anderen Hamburger Rugby-Vereine wurden eingeladen. Geplant sind auch Matches zwischen den alten Herren und den ganz alten Knackern: Zu bewundern sind die „Hamburg Old Boys“, die „Ex-Exiles“ und die „Extinct Exiles“ – die „Ausgestorbenen“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen