Rüstungs-Lobbyist über Waffenhandel: „Merkel-Doktrin? Blödsinn.“

Georg Adamowitsch vom Rüstungsindustrieverband BDSV über Geschäftsgeheimnisse, Exportentschiedungen und Waffen für Saudi-Arabien.

In Saudi-Arabien offensichtlich beliebt: der deutsche Kampfpanzer Leopard 2. Bild: dpa

taz: Herr Adamowitsch, dieses Jahr erlebt Ihr noch recht junger Rüstungslobbyverband BDSV seine erste Bundestagswahl. Werden Ihre Forderungen im Herbst in den Koalitionsverhandlungen eine Rolle spielen?

Georg Adamowitsch: Wir beschäftigen uns jetzt im Wahlkampf natürlich mit den Aussagen der Parteien zu Rüstung und Export und kommunizieren unsere Überlegungen dazu auch. Wir haben nichts zu verbergen. Wir suchen das Gespräch mit der Politik wie mit den Medien. Wenn ich um Rat gefragt werde, sage ich nicht nein. Und wenn ich meine, ich habe etwas mit einem Politiker zu besprechen, dann rufe ich an oder gehe mit ihm eine Tasse Kaffee trinken. Aber ich reiche keine fertigen Gesetzentwürfe irgendwo rein.

Nach der Debatte über den bewilligten Verkauf von Leopard-2-Panzern an Saudi-Arabien fordern jetzt fast alle Parteien, dass sich das Parlament mit dem Rüstungsexport befasst. Hat sich die Industrie von der gegenwärtigen Geheimhaltungspolitik schon innerlich verabschiedet?

Ich gehe davon aus, dass Bundesregierung und Bundestag nach der Bundestagswahl im Herbst nach einem Weg suchen, der den Interessen nach mehr Transparenz bei Exportentscheidungen Rechnung trägt. Dabei muss natürlich berücksichtigt werden, dass die letztendliche Entscheidung aus verfassungsrechtlichen Gründen bei der Bundesregierung bleibt. Es gibt in ganz Europa kein Mitentscheidungsrecht für das Parlament, das ist überall eine Sache der Exekutive.

Sie haben sich für einen Kontrollausschuss analog zum Parlamentarischen Kontrollgremium für die Geheimdienste ausgesprochen – eine derzeit realistisch erscheinende Option. Sind Sie zugleich froh, dass es mehr Transparenz nicht werden dürfte?

Für die Industrie sind die Wahrung der Geschäftsgeheimnisse und die Wahrung der Kundeninteressen bei aller Forderung nach Transparenz das Entscheidende. Geheimhaltung brauchen nicht nur die Hersteller, um keinen Wettbewerbsnachteil zu erleiden, sondern auch die Bestellerländer verlangen sie: Die legen aus sicherheitspolitischem Interesse keinen Wert darauf, dass jeder weiß, was sie bestellen wollen.

65, ist seit 2011 der Geschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV).

Im Streit um den Leopard-2-Panzer für die Saudis hat die Bundeskanzlerin gesagt: Wer nicht selbst in Auslandseinsätze ziehen will, soll Krisenstaaten wenigstens mit Waffen „ertüchtigen“, selbst für Kontrolle zu sorgen. „Merkel-Doktrin“ heißt das jetzt …

Den Begriff „Merkel-Doktrin“ halte ich für Blödsinn. Es gibt keine „Merkel-Doktrin“. Es gibt zwei Reden von Frau Merkel, in denen sie angedeutet hat, man müsse abwägen, ob man in einen internationalen Einsatz deutsche Soldaten schickt – oder ob man durch entsprechende wirtschaftliche Ausrüstung die betroffenen Staaten befähigt, regionale Konflikte beherrschbar zu halten. Ich finde es fahrlässig, hieraus einen Freibrief für Rüstungsexporte herauslesen zu wollen oder anzunehmen, dass die Bundesregierung künftig statt mit völkerrechtlich mandatierten Einsätzen der Bundeswehr mit Rüstungsexporten dorthin reagiert.

Doch im Ergebnis werden jetzt, nachdem Bundeswehr und Nato nicht mehr alles kaufen, fröhlich Waffenlieferungen in Krisenregionen wie die Arabische Halbinsel bewilligt.

Es gibt keinen Trend zu mehr Waffenlieferungen auf die Arabische Halbinsel.

Die steigenden Absatzzahlen sind kein deutlicher Hinweis?

Diese Zahlen gehen zum Beispiel auf ein großes Grenzsicherungsprojekt …

…für Saudi-Arabien vom EADS, Europas zweitgrößtem Rüstungskonzern

… zurück. Das hat aber nichts mit Substitutionsprozessen zu tun, weil in Europa weniger bestellt wird. Die Unternehmen reagieren auf neue Bedarfe weltweit – Grenzsicherung ist ein Beispiel. Gleichzeitig gibt es wirtschaftlich aufsteigende Länder mit neuen Sicherheitsbedürfnissen, zum Beispiel Brasilien: Dort finden Fußball-WM und Olympische Spiele statt, die brauchen Sicherheitsprodukte. Gut, wenn Deutschland mit dabei ist.

Soll Deutschland beim Bau einer Kampfdrohne dabei sein?

Wenn die Bundeswehr eine will, muss das politisch entschieden werden.

Sie will dringend eine, aber die Entscheidung wurde nun lieber hinter die Bundestagswahl geschoben.

Auf die paar Wochen kommt es bei uns in der Industrie nicht an, wir denken langfristig. Klar ist: Drohnen sind eine Zukunftstechnologie, und da muss Deutschland dabei sein. Das bezieht sich auf alle möglichen Drohnenprojekte, bewaffnet wie unbewaffnet.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.