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Rotfront ohne Frontmann

Wenn rote Socken sich nicht riechen können: Nach einer innerparteilichen Schlammschlacht ist der bisherige Bürgermeisterkandidat der PDS für den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg zurückgetreten

von UWE RADA

Der erste PDS-Bürgermeister in einem Westbezirk heißt nicht Dieter Hildebrandt. Überraschend trat der bisherige Friedrichshainer Sportstadtrat gestern von seiner Kandidatur für den Bürgermeisterposten des Fusionsbezirks Friedrichshain-Kreuzberg zurück. Die „Angriffe auf seine persönliche Integrität“, so Hildebrandt zur Begründung, hätten für ihn „die Grenzen der Belastungsfähigkeit“ überschritten.

Mit dem Rücktritt, den Hildebrandt am Mittwochabend dem Vorstand der PDS-Friedrichshain-Kreuzberg erklärte, zieht der PDS-Politiker die Konsequenz aus den Anschuldigungen, die im Zusammenhang mit dem Bau eines Sportkomplexes in der Samariterstraße gegen ihn erhoben wurden.

Demnach soll Hildebrandt den Auftrag an einen Bauunternehmer vergeben haben, gegen den die Staatsanwaltschaft bereits wegen einer Pleite ermittelte. Außerdem sei es, so der Vorwurf, bei dem Bau des 14,5-Millionen-Mark-Projektes zu überhöhten Rechnungen gekommen. Hildebrandt selbst hatte die Vorwürfe immer wieder dementiert.

Die Anschuldigungen gegen Hildebrandt überschatten seit zwei Wochen die Bildung der ersten rot-rot-grünen Koalition auf Bezirksebene. Sie gewinnen allerdings auch dadurch an politischer Brisanz, dass sie nicht nur vom politischen Gegner, etwa dem grünen Fraktionschef aus Friedrichshain, Lars Liepe, erhoben wurden. Auch die von der PDS bestellte derzeitige Friedrichshainer Baustadträtin Martina Albinus-Kloss beteiligte sich munter am Kesseltreiben gegen Hildebrandt. Als mögliches Motiv nennt die Friedrichshainer PDS-Bezirksvorsitzende Martina Michels gekränkte Eitelkeit, weil Albinus-Kloss nicht wieder als Kandidatin für einen Stadtratsposten vorgeschlagen wurde. Der SPD-Bürgermeister von Friedrichshain, Helios Mendiburu, sprach sogar von einer „Schlammschlacht“ gegen Hildebrandt.

Der Landtagsabgeordnete Freke Over, der in Friedrichshain ein Direktmandat erzielt hatte, erklärte gestern, dass man als Bürgermeister-Kandidat mit Anschuldigungen anderer Parteien umgehen könnte. „Eine Schmutzkampagne aus den eigenen Reihen“, so Over, „ist an Gemeinheit aber nicht zu überbieten.“ Auch der Bezirksvorstand sowie die PDS-Kreuzberg bedauerten den Rücktritt Hildebrandts.

Erleichtert dürften dagegen die Bündnisgrünen sowie die Sozialdemokraten aus Kreuzberg sein. Sie hatten in den vergangenen Tagen zwar keinen Zweifel daran gelassen, dass sie zur Wahl eines PDS-Bürgermeisters stünden. Die für den 18. Oktober vorgesehene Wahl selbst sollte aber verschoben werden.

Geradezu zu Höchstform aufgelaufen ist gestern der CDU-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Klaus Landowsky. Er nahm den Rücktritt Hildebrandts von seiner Kandidatur „mit Befriedigung“ zur Kenntnis und forderte die SPD auf, den bisherigen grünen Bürgermeister aus Kreuzberg, Franz Schulz, zum Rathauschef des Fusionsbezirks zu küren.

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