: Rote Socken stinken ab
PDS bricht in ihrer Hochburg Berlin ein. Nur zwei Direktmandate und 11 Prozent der Stimmen. Gysi erntet Hohnrufe von der Basis. Stölzl sieht Ende der PDS. Wowereit: Rot-roter Senat bleibt bis 2006
Es war vielleicht sein schwerster Gang. Als Gregor Gysi kurz vor 20 Uhr die Arena in Treptow betrat, schlug ihm der geballte Frust der PDS-Anhänger entgegen. Es gab Buhrufe und Pfiffe. „Ich bin mir über meinen Anteil an diesem Wahlergebnis im Klaren“, sagte der ehemalige Frontmann der PDS, der nach seinem Rücktritt als Wirtschaftssenator nun zum Buhmann wurde. Seine Bemerkung, er bedaure es, dass Personen im Wahlkampf offenbar wichtiger seien als Inhalte, quittierte ein Teil der PDS-Anhängerschaft mit Hohnrufen. Am Ende der Gysi-Rede gab es zwar Beifall. Doch der konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die PDS aus dem Bundestag geflogen ist, in Berlin und mit Gregor Gysis tätiger Mithilfe.
Dass die PDS ihre Anhänger in die Treptower Arena lud, war kein Zufall. Neben den zwei sicheren Wahlkreisen von Gesine Lötzsch in Lichtenberg und Petra Pau in Marzahn-Hellersdorf ruhten die Hoffnungen der Parteispitze auf Ernst Welters, der als dritter Direktkandidat in Treptow-Köpenick den Wiedereinzug der Sozialisten in den Bundestag sichern sollte. Doch daraus wurde nichts. Nach Auszählung von 70 Prozent der Stimmen lag der SPD-Kandidat Siegfried Scheffler mit 38 Prozent vor Welters mit 31 Prozent. Lothar Bisky holte 1998 dort mehr Stimmen für die PDS als der ehemalige SEW-Funktionär Welters.
Knapp vor Bundesfamilienministerin Christine Bergmann (SPD) führte dagegen Petra Pau in Lichtenberg. Nach 82,7 Prozent ausgezählter Stimmen lag Pau bei 37,7 Prozent, Bergmann bei 33,4. In Marzahn-Hellersdorf lag PDS-Kandidatin Gesine Lötzsch fast 7 Prozentpunkte vor Andreas Köhler (SPD). Bei der Bundestagswahl 1998 hatte die PDS in Berlin noch vier Direktmandate geholt.
Schon unmittelbar nach der Veröffentlichung der ersten Prognosen hatte PDS-Landeschef Stefan Liebich die Wahlschlappe eingestanden: „Das ist eine Niederlage, da gibt es nichts drumherum zu reden“. Das wichtigste Ziel, in Fraktionsstärke ins Parlament einzuziehen, sei nicht erreicht worden. Es sei der PDS im personalisierten Wahlkampf nicht gelungen, eigene Themen den Wählern nahe zu bringen.
„Natürlich hat Gysis Rücktritt Auswirkungen gehabt“, ergänzte PDS-Sozialsenatorin Heide Knake-Werner. Die Leute hätten sich allein gelassen gefühlt von einem, der sonst immer angetreten ist. Senatssprecher Günter Kolodziej (PDS) meinte: „Wir planen für den direkten Wiederaufstieg, aber leider ist die Saison sehr lang.“ Hans Modrow sagte: „Die Partei kann und wird nicht verschwinden.“ Sie sei aber in einer „Entscheidungsphase“, wie seit 1990 lange nicht mehr.
Während bei der PDS bereits die Diskussionen um einen möglichen Rücktritt von Parteichefin Gabi Zimmer begannen, sang der CDU-Landesvorsitzende Christoph Stölzl das Lied vom endgültigen Untergang der demokratischen Sozialisten. „Mit dem Rauswurf hat die PDS ihr Waterloo erlebt“, kommentierte Stölzl das Wahlergebnis bei der CDU-Party im Konrad-Adenauer-Haus. „Nun zeigt sich, dass die PDS ein völlig überflüssiger Umweg in der deutschen Geschichte ist.“
Das sah Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) erwartungsgemäß anders. Das PDS-Ergebnis, so Wowereit, habe keinen Einfluss auf die rot-rote Landesregierung in der Hauptstadt. Diese werde bis zum Ende der Legislaturperiode 2006 arbeiten. Das schlechte Abschneiden der Linkssozialisten führte Wowereit vor allem auf den Rücktritt von Gregor Gysi als Wirtschaftssenator zurück.
Weniger Kredit als beim Regierenden hatte die PDS bei ihrer eigenen Klientel in Treptow. Dort fragte in der Arena einer der Barkeeper lächelnd: „Für was wollt ihr Loser eigentlich Freibier haben?“ STA/WERA
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