: Rote Fahnen für Außenminister Baker
Bei seinem Besuch in Tirana wird der Vertreter des „Weltimperialismus“ von 400.000 Albanern begeistert begrüßt/ Baker fordert „wirtschaftliche Schocktherapie" und verspricht 600 Millionen Dollar ■ Aus Belgrad Roland Hofwiler
Außenminister James Baker zeigte sich bei seinem ersten Albanienbesuch sichtlich gerührt: „So ein großartiger Empfang ist mir noch nie bereitet worden.“ Und 400.000 Albaner applaudierten bei diesen Worten am Samstagnachmittag während einer Massenveranstaltung auf dem Skanderbegplatz in Tirana begeistert. Sie schwenkten rote Fahnen und rote Spruchbänder, auf denen stand, „Long live America“. Als Zeichen der Wirtschaftskrise werteten geübte Beobachter des Landes das rote Fahnenmeer, ist doch auch die Tuchproduktion ins Stocken geraten. Es war, als wären die alten Sprüche wie „Enver Hoxha, wir sind immer bereit“ mit den neuen Parolen übernäht worden.
Für James Baker war dies nicht so wichtig. Er fühlte sich inmitten dieser Woge der Begeisterung offensichtlich wohl, hatten die Behörden doch kurz vor seiner Ankunft das übergroße Lenindenkmal abmontiert und auf dem verbliebenen Sockel das Rednerpult aufgebaut. Solchermaßen vom Hauch der Geschichte umweht, scheute der Reporter des albanischen Fernsehens nicht den Vergleich, seit einem Staatsbesuch Maos in den sechziger Jahren habe man in seinem Land nicht mehr solch bewegende Szenen gesehen.
Bei einer anschließenden Stadtrundfahrt ließ sich Baker auch in die erst kürzlich umbenannte „Straße des Weltimperialismus“ führen, wo einstmals im Vorkriegsalbanien sinnigerweise die US-Botschaft lag, die Enver Hoxha nicht nur schließen, sondern nach seiner Machtübernahme auch abreißen ließ. Bisher ist unklar, ob an gleicher Stelle die neue Botschaft der USA entstehen soll.
In einer Rede vor dem albanischen Parlament erklärte der Amerikaner am Sonntag, die „düsteren Kapitel der Vergangenheit“ seien endgültig überwunden, einer „intensiven Zusammenarbeit“ zwischen beiden Ländern stehe nichts mehr im Wege. Amerika zeige sich lediglich darüber beunruhigt, daß immer noch nicht alle politischen Gefangenen freigelassen wurden und bisher eine politische Rehabilitierung von Verfolgten ausgeblieben sei. An die Adresse Serbiens gerichtet, erklärte er, daß die Menschenrechtssituation in Albanien inzwischen den internationalen Kriterien mehr entspräche als im südjugoslawischen Kosovo. Oberstes Ziel der neuen Koalitionsregierung der Nationalen Errettung in Albanien müsse es nun sein, die „selbstverschuldete politische und wirtschaftliche Isolierung“ zu überwinden. Hierzu empfahl Baker eine „Schocktherapie“, der einzige Weg aus der Wirschaftskrise führe über die Annahme drastischer Maßnahmen, sonst werde die Übergangsperiode zur Marktwirtschaft ein „langer Weg“ sein. Die USA werden dem Balkanstaat eine Soforthilfe von 600 Millionen Dollar, die in Form von Medikamenten und Lebensmitteln geliefert werden sollen, zukommen lassen. Die USA werde, so bekräftigte Baker, beim Internationalen Währungsfonds die Aufnahme Albaniens beantragen und eine sofortige Finanzhilfe von zwei Milliarden Dollar befürworten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen