: Rot-schwarz blamiert
■ Rückzieher: Bürgerschaftspräsidium wird doch nicht verkleinert / Grüne wollen Parlamentsreform
Gleich bei der ersten konkreten Entscheidung der Großen Koalition hat sich das Regierungsbündnis bis auf die Knochen blamiert: Nachdem die VerhandlerInnen vorgestern bekanntgegeben hatten, demnächst solle die BürgerschaftspräsidentIn nur noch eine StellvertreterIn haben, statt zweiwie bisher, mußten sie gestern den Rückzug antreten. Kaum hatten die Grünen eine Pressekonferenz zum Thema „Entscheidung nach Gutsherrenart“ angekündigt, da fiel es auch den Rot-schwarzen auf: Der Beschluß widerspricht der Bremer Landesverfassung. Kommando zurück, der Beschluß ist aufgehoben.
Artikel 86 der Landesverfassung ist eindeutig: „Die Bürgerschaft wählt für ihre Wahlperiode ihren Präsidenten, die Vizepräsidenten und die Schriftführer.“ Die Vizepräsidenten, einer allein genügt nicht. „Das wäre sowieso erstmal keine Einsparung gewesen“, sagte gestern der grüne Fraktionssprecher Dieter Mützelburg. „Die 50.000 Mark, die mit der Maßnahme im ersten Jahr eingespart werden könnten, sollten gleich in die Einrichtung eines Dienstzimmers für den Vizepräsidenten gehen“, ganz neu für den designierten Vizepräsidenten Claus Dittbrenner (SPD).
Ohnehin haben sich die Grünen ziemlich über die Sparvorschläge der GroßkoalitionärInnen für das Parlament geärgert. Mützelburg: „Da regiert die Exekutive in die Legislative hinein.“ Parlamentsreform sei Sache des Parlaments. Und dafür haben die Grünen gestern einige Vorschläge gemacht. Die sollen summa summarum zwischen 1,3 und 1,5 Millionen Mark einsparen. Nur: „CDU und SPD haben sich geweigert, vor Abschluß der Koalitionsverhandlungen mit uns darüber zu sprechen.“
Vorschlag Nummer eins: Die Zuschüsse für die Koalitionsfraktionen sollen pauschal um zehn Prozent gekürzt werden; 800.000 Mark Einsparpotential pro Jahr. Vorschlag zwei: Bislang bekommen die Abgeordneten 500 Mark pro Monat für bürgernahe Mandatsausübung. Damit werden vielfach Abgeordnetenbüros kofinanziert. Insgesamt werden so 600.000 Mark pro Jahr ausgegeben. Wenn es nach den Grünen geht, soll dieser Zuschuß gestrichen, ein kleinerer Teil sollte gleich auf die Fraktionszuschüsse geschlagen werden. So könnten 400.000 bis 500.000 Mark eingespart werden. Vorschlag drei: Die Deputationen sollen ganz abgeschafft und durch Parlamentsausschüsse ersetzt werden. Damit fielen auch die Kosten für diejenigen Deputierten weg, die keine ParlamentarierInnen sind, mehr als 600.000 Mark im Jahr, ganz zu schweigen von den 20 bis 25 hochrangigen BeamtInnen, die bei jeder Deputationssitzung dabei sind. Mützelburg: „Die Beamten würden nicht sinnlos herumsitzen, und das Parlament könnte sich auf seine Kontrollfunktionen beschränken. Das wäre billiger und effektiver.“ Ohnehin sollte die Zahl der Deputationen/Ausschüsse stark dezimiert werden. „Wir brauchen keine Deputation für Sport, die über ein paar hundert Mark debattiert.“
Zu alldem wollen die Grünen die Verkleinerung der Bürgerschaft diskutieren. Mützelburg: „Wir sind sehr verwundert, daß das Thema bei Rot-schwarz vom Tisch ist.“ Zu dem Thema hätten die Grünen noch keine abschließende Meinung, Mützelburg aber eine private: „75 Abgeordnete reichen.“ J.G.
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