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Archiv-Artikel

Rot-Rot macht den Kameramann

Das Abgeordnetenhaus beschließt heute die Einführung der Videoüberwachung mit weit reichenden Befugnissen für die Polizei. Sie kann künftig an „gefährdeten Objekten“ filmen. Bündnisgrüne kritisieren: „Rot-Rot gefährdet die Bürgerrechte“

von PLUTONIA PLARRE

Videoüberwachung durch die Polizei – ja oder nein? Vorbei sind die Zeiten, in denen diese Frage von der linken Opposition mit einem eindeutigen Nein beantwortet wurde. Auch die Grünen sind nach diversen antisemitischen Anschlägen auf Friedhöfe und Mahnmale der Meinung, Videoüberwachung könne sinnvoll sein. Und trotzdem wird sich die Grünen-Fraktion heute der Stimme enthalten, wenn die Änderung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) im Parlament verabschiedet wird. „Rot-Rot gefährdet die Bürgerrechte“, geißelt der rechtspolitische Sprecher der Grünen, Volker Ratzmann, das Vorhaben.

Mit dem neuen Polizeirecht wird die Videoüberwachung „gefährdeter Objekte“ geregelt. Bislang hatte die Polizei keine Befugnis, Friedhöfe oder andere öffentliche Gebäude mit Kameras zu überwachen. Um die Formulierung des Gesetzestextes haben nicht nur die Grünen in den vergangenen Wochen und Monaten heftig mit der Regierungskoalition gerungen. Den PDS-Abgeordneten, die sich den Grünen-Änderungsentwurf im Wesentlichen zu Eigen gemacht hatten, war es schließlich gelungen, der SPD die eine oder andere Modifizierung abzutrotzen.

Was die Definition des durch die Videoüberwachung zu schützenden Gebäudes angeht, blieb die SPD jedoch hart: „Zur Erfüllung ihrer Aufgaben (…) kann die Polizei an einem gefährdeten Objekt (…) personenbezogene Daten durch Anfertigung von Bildaufnahmen erheben“, lautet der Gesetzestext. Der PDS-Innenpolitiker Steffen Zillich lässt durchblicken, dass er die sture Haltung der Sozialdemokraten bedauere. „Wir wollten eine Beschränkung auf besonders gefährdete Objekte.“ In der Gesamtschau sei der Kompromiss aber „tragbar“, meint Zillich.

Die Grünen finden das nicht. Mit der offenen Formulierung „gefährdetes Objekt“ drohe die Videoüberwachung „klammheimlich von hinten“ zu einem ganz normalen polizeilichen Instrumentarium zu werden, befürchtet Volker Ratzmann. „Damit können in Zukunft auch Krankenhäuser überwacht werden.“ Es liegt aber nicht nur an dem Interpretationsspielraum, den der Gesetzestext zulässt, dass sich die Grünen bei der heutigen Plenarsitzung enthalten werden. Weitere Gründe sind laut Ratzmann, dass die aufgezeichneten Bilder gespeichert würden und kein schlüssiges Polizeikonzept vorliege.

Die Grünen hatten in ihrem Entwurf gefordert, dass die Überwachung nur zum Zwecke der Gefahrenabwehr erfolgen und die Bilder nicht gespeichert werden dürften. „Wir wollen, dass die Aufnahmen in ein Zentrum übertragen werden, in dem mehrere Polizisten vor den Monitoren sitzen. Bei konkreter Gefahr könnten sich diese sofort auf den Weg machen“, so Ratzmann. Auch auf die Pflicht, das Parlament regelmäßig über die Videoüberwachung zu unterrichten, hatten die Grünen den Innensenator vergebens festzulegen versucht. „Wir hätten das eine oder andere gern noch enger gefasst“, sagt Zillich. Dass die Grünen aus dem Text den drohenden Überwachungsstaat herauslesen, hält er für ausgemachten Blödsinn.

Was den Grünen zu viel ist, ist den Konservativen zu wenig. Das neue Gesetz „erlaubt nur das, was sowieso schon längst Praxis in der Hauptstadt ist“, meldete sich der in den Bundestag abgewanderte frühere innenpolitische Sprecher der CDU, Roland Gewalt, zu Wort. Bei der Gelegenheit erneuerte Gewalt die Forderung seiner Partei nach einer Videoüberwachung von Straßen und Plätzen. London, Paris und Rom seien da wesentlich weiter. Für diese Forderung hatte Gewalt schon zu Zeiten der großen Koalition vergebens gekämpft.