: Rosige Zukunft für Berliner S-Bahn?
■ Finanz- und Bausenator möchten wegen der fälligen Milliardeninvestitionen Netz in Hände der Bundesbahn geben / DB winkt aber schon entsetzt ab / Verkehrssenator für BVG und BVB als gemeinsame S-Bahnbetreiber
Berlin. Im Senat wird zur Zeit intensiv über einen wichtigen Aspekt der Integration des öffentlichen Nahverkehrs im Großraum Berlin diskutiert, ohne daß dies bisher an die Öffentlichkeit drang. Es geht um die Frage, wer mittelfristig Eigner der wiederverknüpften Berliner S-Bahn werden soll: die einheitliche Berliner Verkehrs-Betriebe aus BVG und BVB, ein Umlandverkehrsverbund oder die Bundesbahn beziehungsweise die neue „Deutsche Staatsbahn“. Es ist vor allem Finanzsenator Meisner, der die S-Bahn wegen der notwendigen enormen Investitionen in das Streckennetz an die Bundesbahn übertragen möchte. Komme das Bundesunternehmen in den Besitz der S-Bahn, müßte es für die Anlagen- und eventuell auch für Fahrzeuginvestitionen selbst in die Tasche greifen, so die Überlegung. Aus teilweise noch anderen Gründen wird die Zielsetzung Meisners von Stadtentwicklungssenatorin Schreyer und Bausenator Nagel unterstützt. Folglich sprach der Verkehrsexperte der SPD -Fraktion, Thiemann, bereits mißvergnügt von einer augenblicklich „übermächtigen Finanzdebatte“ des Senats in Sachen S-Bahn.
Unbestritten ist, daß der Ausbau der S-Bahnverbindungen zwischen Berlin und seinem Umland Milliardenbeträge verschlingen wird. Nach den Berechnungen der BVG-Planer müssen bis zum Jahre 2004 rund 10,15 Milliarden Mark in die Bahnanlagen investiert werden. Für den Kauf neuer Fahrzeuge veranschlagten sie noch einmal rund 4,74 Milliarden Mark. Laut dem Szenario klettern durch den Streckenausbau schließlich auch die jährlichen Kosten des S-Bahnbetriebes exorbitant in die Höhe: Von 1,46 (1992) auf 2,59 Milliarden Mark (Netz 2004).
Dementsprechend sieht auch Umweltstaatssekretär Klaus Groth unter den finanziellen Gesichtspunkten keinen anderen Weg, als der Bundesbahn die S-Bahn-Eigentumsrechte zu übertragen. Groth: „In dem Moment, wo die BVG ein rein kommunaler Träger der S-Bahn wäre, hätte sie keine Chance, ihre Investitionen zu mehr als 60 Prozent über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz vom Bund finanziert zu kriegen.“ Dies, so Groth, wäre für Berlin „das Ende“. Die Bundesbahn-Lösung hat für den Staatssekretär jedoch auch verkehrspolitische Vorteile: In der Hand des Eigentümers Bundesbahn könnte die S-Bahn besser mit Eisenbahnstrecken im Regionalverkehr verzahnt werden. Im Gegensatz zu einem Modell des Finanzsenators plädierte Groth dafür, den eigentlichen S-Bahnverkehr einem Zweckverband aller Verkehrsgesellschaften in und um Berlin zu übertragen.
Im Mai sprach sich Bausenator Nagels Planungsreferent, Günter Fuderholz, bereits für eine schnelle Abgabe der S -Bahn an die Bundesbahn aus, weil dieser jede jetzt noch vom Senat getätigte Investition zugute komme. Dem Vernehmen nach hofft Nagel, durch den Besitzwechsel die zum S-Bahnausbau verwendeten Mittel aus dem Strukturhilfefonds für den Wohnungsneubau freizubekommen.
Allerdings ist die Bundesbahn, was naheliegt, alles andere als interessiert an einer Übernahme der Berliner S-Bahn. Der Leiter der Berliner DB-Vertretung, Siegert, drückte dies so aus: „Eine Unternehmensführung kann nur sagen, das verschlechtert insgesamt dramatisch unser gesamtes Wirtschaftsergebnis.“ Siegert zufolge rechnet der Frankfurter DB-Vorstand unterdessen mit einer „politischen Entscheidung“ in Bonn.
Einzig in der Führungsspitze der Verkehrsverwaltung ist man dafür, daß BVG und BVB im Rahmen eines Verkehrsverbundes nach Frankfurter Muster die S-Bahn betreiben. Kämen Bahnen und Busse unter die Regie der vereinigten Verkehrs-Betriebe, ließen sich Tarife, Fahrpläne und Investitionsvorhaben wesentlich leichter abstimmen, erklärte Staatssekretär Schneider. Einwände kommen allerdings von der BVG. „Wenn wir die S-Bahn in Ost-Berlin auch noch dabei hätten, kriegen wir hier einen Moloch mit etwa 40.000 Beschäftigten“, befürchtet Helmut Döpfer, zuständiger Direktor für Technik und Bau. „Dies ist für ein kommunales Nahverkehrsunternehmen wie die BVG keine handhabbare Betriebsgröße mehr.“ Ganz pragmatisch gab sich der BVG-Planungschef Schmidt: „Das ist doch eine Formsache, wer der Betreiber wird. Die Ostberliner S-Bahn kann man doch auch ausbauen, wenn sie in den Händen der Reichsbahn ist.“
Entsprechend schlug Thiemann für die erste Phase nach der Vereinigung von BVG und BVB einen Kooperationsvertrag mit der Ostberliner Reichsbahn vor. Später sei eine gesonderte S -Bahn GmbH mit Bundesbahn/Reichsbahn, dem neuen einheitlichen BVG/BVB-Eigenbetrieb sowie dem Land Berlin als Gesellschafter denkbar, erläuterte Thiemann die SPD -Vorstellungen.
thok
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