piwik no script img

Rosenkranz und goldene Taler

■ 49. DFB-Pokalfinale im ausverkauften Berliner Olympiastadion/ Mit Mönchengladbach und Hannover, deren beste Zeiten lang zurückliegen/ Zehn Millionen Mark Umsatz

Berlin (taz) — Nur einen einzigen Tag im Jahr dürfen sich die Berliner Fußballfans ganz dolle freuen; in diesem Jahr ist es der heutige und der Anlaß kein geringerer als die beiden Endspiele um den DFB-Vereinspokal. Als kleinen Trost für die seit langem in trostloser Bolzprovinzialität dümpelnden Haupstädter vergab der DFB die Pokalendspiele regelmäßig in das schon leicht betonbröckelige Olympiastadion, und siehe da, in nur wenigen Jahren etablierte sich der unter Zuschauerschwund leidende Pokalwettbewerb so sehr, daß das jährliche Finale im mit 76.226 Sitzplätzen immer noch größten Stadion der Republik schon zum „deutschen Wembley“ erkoren wurde.

Selbst wenn Vereine zum Endspiel anreisen, die nicht unbedingt zur Spitze bundesdeutscher Kickerei zählen; das Berliner Olympiastadion ist schon Monate vorher ratzekahl ausverkauft. Heute um 18Uhr stehen bei den Männern (quasi als Vorspiel wird um 15.15 das Frauenfinale zwischen Siegen und Frankfurt ausgetragen) zwei Mannschaften sich gegenüber, die sich heftig im Beschwören ruhmreicher Vergangenheit üben, weil sie momentan nicht allzuviel Besonderes vorzuweisen haben. Zum einen Borussia Mönchengladbach, in der abgelaufenen Saison scharf am Abstieg aus der ersten Liga vorbeigeschrammt, zum anderen der Hannoversche SV von 1896, seit Jahren das Mittelmaß in der zweiten Liga. Die Fans scheint diese Besetzung nicht zu stören. Mehr als eine Viertelmillion Karten hätten verkauft werden können, doch die immerhin noch 50.000 nach Berlin reisenden Menschen locken selbst den mauligsten Geschäftsleuten der Stadt ein breites Grinsen ins Gesicht. Auf zehn Millionen Mark wird der Umsatz rund um das Endspiel geschätzt, und auch der DFB darf sich noch über drei Mio. Mark in die ohnehin schon vollen Taschen stopfen.

Vom schnöden Geld zum reinen sportlichen. Große Erfolge liegen bei beiden Teams schon weit zurück, aber diese werden mit seltsam irrationalen Bezügen gnadenlos verwurstet, um den Erfolg zu beschwören. So prahlen die Hannoveraner damit, just am 23.Mai des Jahres 1954 in Berlin mit 5:1 gegen die favorisierten Kaiserslauterer die Meisterschaft gewonnen zu haben. In Mönchengladbach denkt man feuchten Auges an den letzten Pokalsieg 1973 gegen Köln zurück, zwar nur am 21.Mai, aber in Hannover. Den 23.Mai können die Gladbacher aber auch vorweisen; an diesem Tag gewannen sie vor 13 Jahren den Uefa-Cup und zwei Jahre vorher die Meisterschaft.

Im Mittelpunkt werden natürlich die beiden Torwärter stehen; bei der Borussia der vierfache Elfmeterverhüter Uwe Kamps, im Tornetz zaubrisch unterstützt von Rosenkranz und Plüschnilpferd; für Hannover zählt Keeper Jörg Sievers schlicht auf seine Coolness. Wer sonst noch mitspielen darf, daraus machen beide Trainer ein furchtbar großes Geheimnis. Nur eins ist sicher: Günter Netzer wird nicht eingewechselt. Schmiernik

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen