: Rolling Meiereiberge
■ I.C.E. Knarf Rellöm bekämpft heute nicht nur die eigene Langeweile
„Das Interessante ist“, sagt der Mensch, der sich Knarf Rellöm nennt, das Interessante sei doch, „Geschichten aufzuschreiben“. Und wozu? „Um zu sehen, woher wir kommen.“ Rellöm selbst kam vor geraumer Zeit aus Dithmarschen nach Hamburg. Seine damalige Band nannte sich Huah! und zog mit dem Chef um in die Großstadt. Huah! gibt es seit sechs Jahren nicht mehr, Rellöm ist Hamburger geblieben und verdient sich den Lebensunterhalt in einer Booking-Agentur.
Aber: „Was ist interessant an der Biographie von Frank Möller?“ fragt der zum Knarf Gewendete und verweigert weitergehende private Auskünfte. Was nur auf den ersten Blick der Tatsache widerspricht, daß das zentrale Stück seines Debüts „Bitte vor R.E.M. einordnen“ die eigene Jugend beschreibt. In „Autobiographie einer Heizung“ wird jenes Wachsen zum Außenseiter beschrieben, das Frank Möller zu Knarf Rellöm hat werden lassen, von den Auseinandersetzungen mit dem Vater über den Punkhaarschnitt bis zur ersten LSD-Pille.
So ein Leben dient als Beispiel, „damit andere vergleichen können“, sagt Knarf Rellöm. Die biographischen Daten werden zum Material, das zu Songs geschmiedet wird, denen man allerdings nicht anhört, daß sie zum Teil in einer an Burroughs angelehnten Cut-Up-Technik entstehen und beeinflußt sind von experimenteller Dichtung. „Ernst Jandl haut mich schon um“, sagt Rellöm. Was ihn mit Jandl verbindet, ist der Einsatz von Humor als „künstlerischem Mittel“. Doch sein Verhältnis zum Witz ist ein gespanntes seit den Tagen mit Huah!, die allerorten als Funpunker gelobt, doch eigentlich „falsch verstanden“ wurden.
Heute ist ihm ein „verblüfftes Lachen“ lieber, aber noch immer wird seine Ernsthaftigkeit gern ironisch interpretiert. Der Großteil dieser Songs ordnet sich seinem großen Projekt „Außenseiter“ unter, in dem Rellöm zu klären versucht, „wieso jemand anfängt, sich für Sachen zu interessieren, die seine Umwelt nicht interessieren. Es gibt immer einen, der im Sport schlecht war, und aus denen werden ganz oft Musiker, Schriftsteller oder Künstler.“
Musikalisch versucht er sich am Spagat zwischen 60ies und 80ies. Als bekennender Bob-Dylan-Exeget samplet er Randy Newman, zitiert aber auch Yazoo oder die Buggles. Sein Repertoire droht auseinanderzufallen, wenn spartanischen Monologen blumige Gitarrenpopsongs folgen. „Es langweilt mich“, sagt Rellöm, „wenn ich lange Zeit die gleiche Musik mache.“
Auch den Namen wechselt er ständig: Mal Avanti Knarf Rellöm, mal Ladies Love Knarf Rellöm, mal I.C.E. Knarf Rellöm. Was begann als Medienverwirrspielchen, paßte dann plötzlich aber „eigentlich ganz gut“. So dominierten als Freewheelin Knarf Rellöm die Countryklänge und bei 606 Knarf Rellöm die gleichnamige Rhythmusmaschine.
Trotzdem ist immer relativ offen, wie sich Knarf Rellöm dann tatsächlich anhört, denn die Liveband besetzt sich meist immer erst kurz vorher, je nachdem, wer von den Freunden Zeit und Lust hat, mit auf Reisen zu gehen.
Vielleicht passiert ja diesmal, wovor schon Vater Möller warnte: „Ich erinnere mich an meinen Alten“, erinnert sich Knarf Rellöm in „Autobiographie“, „der meinte, deine Musik hört sich an wie eine Mülltonne, die den Meiereiberg hinunterrollt.“ Thomas Winkler
Mit Ladybird, El Gordo & J.J. Jones, Wir, Surrogat, Mondo Fumatore u.a. Jürgen Kuttner moderiert. Heute abend ab 22.30 Uhr in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Mitte
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