: Rollenspielen verboten
■ Springer-Blatt: Jugendliche üben Gewalt-Aktionen
Eine Woche lang haben etwa 200 Jugendliche in Bad Oldesloe an einem Jugend-Umweltmarkt teilgenommen, für den die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein etwa 20.000 Mark bereitgestellt haben – zu ihrem eigenen Schaden, behauptete gestern Springers Bild am Sonntag (BamS). Denn bei dem Markt hätten die Jugendlichen geübt, sich bei Demonstrationen mit Gewalt gegen Polizisten zu wehren. Die SchülerInnen seien in Polizisten und Demonstranten eingeteilt worden und mit Schilden und Schlagstöcken aus Pappe aufeinander losgegangen. Ein Gruppenleiter habe eine Broschüre verkauft, in der erläutert würde, wie man Bahngleise zersägt und Strommasten sprengt.
„90 Prozent der Geschichte stimmen nicht“, dementierte Sönke Martensen von der Umweltwerkstatt gegenüber der taz hamburg die Vorwürfe. Bei dem Arbeitskreis sei es um gewaltfreie politische Aktionen gegangen, beispielsweise bei Demonstrationen. Um sich besser in die Situationen hineinversetzen zu können, hätten die Jugendlichen ein Rollenspiel gemacht. „Es ging darum, hinterher darüber zu diskutieren, wie man sich in solchen Situationen fühlt“, beschreibt Martensen das Konzept des Arbeitskreises. Eine offizielle Stellungnahme wollen die Umweltwerkstätter heute abgeben, wenn sie mit dem Leiter des Arbeitskreises gesprochen haben. Der könnte die Broschüre verteilt haben, von der die Organisatoren nichs wußten. „Der genaue Inhalt der Arbeitskreise ist vorher nicht mit uns abgesprochen“, sagt Martensen.
Die Anschuldigungen der BamS könnten schlimme Folgen haben für die Veranstalter des Marktes, verschiedene freie Jugend-Umweltwerkstätten. Denn die Geldgeber reagierten prompt: Man werde die Vorwürfe prüfen, verlautete es aus dem Kieler Umweltministerium. Sollten sie sich als wahr erweisen, werde das Land sein Geld zurückverlangen. Ähnliches sagte auch Margret Lüneborg, die Sprecherin des Jugendministeriums in Kiel. Sie hatte die Werkstätten schon vor dem Markt darauf hingewiesen, daß sich „Vorfälle wie bei dem Umweltmarkt 1995“ nicht wiederholen dürften. Vor einem Jahr hatten einige Jugendliche in einem Arbeitskreis Sitzblockaden geübt. Einzig die Grünen kündigten an, hinter den Werkstätten zu stehen. juw
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