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Römische ReinwaschungUmstrittene Heiligsprechung

Der britische Historiker John Cornwell bezeichnete Pius XII. einst als "Hitlers Papst". Sein Nachfolger Joseph Alois Ratzinger will ihn jetzt unbedingt zum Heiligen machen.

Soll zum Heiligen ernannt werden: Papst Pius XII . Bild: ap

ROM taz | Jetzt fehlt nur noch ein kleines Wunder als gleichsam letzte Etappe auf dem langen Weg der Seligsprechung von Pius XII., dem wohl umstrittensten Papst der letzten 100 Jahre. Sollte sich ein ehemals Blinder oder Lahmer finden, der bezeugen kann, dank Pius Fürsprache sein Gebrechen losgeworden zu sein, dann steht der Kanonisierung nichts mehr im Wege.

Denn jetzt hat Benedikt XVI. jenes Dekret unterzeichnet, das seinem 1958 gestorbenen Vorgänger "heroische Tugenden" bescheinigt - und das die Schlussrunde im Seligsprechungsprozess einläutet. Eine äußerst geradlinige Karriere fände so ihre fragliche Krönung.

Der 1876 geborene Eugenio Pacelli stammte aus einer stramm katholischen römischen Familie; der Großvater gehörte zu den Gründern des Osservatore Romano, der Vater war Advokat des Heiligen Stuhls, der Sohn studierte Theologie und trat nach seiner Priesterweihe sofort in die Dienste des vatikanischen Staatssekretariats, war von 1917 bis 1929 als Nuntius erst in München, dann in Berlin, diente schließlich Papst Pius XI. als Kardinalstaatsekretär - und wurde im März 1939 zu dessen Nachfolger gewählt.

War er als Papst in den Jahren des II. Weltkriegs, in den Jahren der Schoah wirklich ein "heroischer Christ" oder aber ein Feigling, gar ein Antisemit? Schon 1963 ging ihn Rolf Hochhuth mit dem Drama "Der Stellvertreter" schwer an, und 1999 publizierte der Historiker John Cornwell ein Buch, dessen Titel schon alles sagt: "Hitlers Papst". Kein öffentliches Wort des Protestes habe Pius XII. je gegen die Schoah geäußert, lautet der zentrale Vorwurf, selbst als am 16. Oktober 1943 mehr als 1.000 Juden aus Rom deportiert wurden, habe er an seinem Schweigen festgehalten.

Seine Befürworter kontern, der Papst habe auf stille Hilfe für die Juden gesetzt, habe die Klöster angewiesen, verfolgten Juden Unterschlupf zu gewähren, und habe seine Stimme nur deshalb nicht erhoben, weil er überzeugt gewesen sei, so die Situation der Juden noch zu verschlimmern. Das wiederum überzeugt die Kritiker nicht: Sie fordern, dass der Vatikan endlich die Archive aufmacht, damit die Welt sich ein Bild machen kann vom Wirken des Mannes, der bald seliggesprochen wird.

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11 Kommentare

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  • E
    Ernst

    Der Ratz war in der Hitler-Jugend der war fuer die Wehrmacht noch nicht alt genug, war nur ein Flakhelfer...

     

    Aber auch so rundet es das bild was man von unserem "Bene" hat ganz gut ab...

  • L
    Lucie

    War nicht auch Ratzinger für Hitler und wollte bei der Armee Karriere machen? Ich habe das in der Presse gelesen, in Zusammenhang mit einem Schriftsteller. Aber das wurde dann nicht mehr weiter verfolgt. Das würde doch erklären warum er diesen Pius II seligsprechen lassen will.

  • A
    Auch

    Bleibt sehr zu wünschen, dass eines Tages nicht auch er dem Vorwurf der Pädophilie ausgesetzt wird.

  • DN
    Dr. No

    @Richard:

     

    Große Klasse, diese Zusammenstellung von Zitaten!!!

  • R
    Richard

    Der Jude ist wohl Rasse, aber nicht Mensch. Er kann gar nicht Mensch im Sinne des Ebenbild[es] Gottes, des Ewigen sein. Der Jude ist das Ebenbild des Teufels. Das Judentum bedeutet Rassentuberkulose der Völker.

    Adolf Hitler, 1923

     

    Luther war ein großer Mann, ein Riese. Mit einem Ruck durchbrach er die Dämmerung; sah den Juden, wie wir ihn erst heute zu sehen beginnen.

    Adolf Hitler, 1924

     

    Der Nationalsozialismus ist weder antikirchlich noch antireligiös, sondern im Gegenteil, er steht auf dem Boden eines wirklichen Christentums.

    Adolf Hitler

     

    Ich bewundere das Christentum und werde es fördern.

    Adolf Hitler zu Bischof Bernig, dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz

     

    Ich tue nur, was die Kirche seit fünfzehnhundert Jahren tut, allerdings gründlicher.

    Adolf Hitler

     

    So glaube ich heute im Sinne des allmächtigen Schöpfers zu handeln: Indem ich mich des Juden erwehre, kämpfe ich für das Werk des Herrn.

    Adolf Hitler

     

    Wir haben Soldaten nötig, gläubige Soldaten. Gläubige Soldaten sind die wertvollsten. Die setzen alles ein.

    Adolf Hitler zu Bischof Wilhelm Berning von Osnabrück

     

    Ohne Gottesglauben können die Menschen nicht sein. Der Soldat, der drei und vier Tage im Trommelfeuer liegt, braucht einen religiösen Halt.

    Adolf Hitler

     

    Ich wünsche dem Führer nichts sehnlicher als einen Sieg.

    (Papst Pius XII.)

     

    Lieber Freund, vergessen sie nicht, dass in den deutschen Heeren Millionen Katholiken sind. Soll ich sie in Gewissenskonflikte bringen?

    (Antwort von Pius XII. auf die Frage, warum er nicht gegen die Judenvernichtung protestiert)

     

    Was nicht der Wahrheit oder Sittennorm entspricht, hat kein Recht auf Existenz.

    (Papst Pius XII, 1876-1958 im Jahr 1954)

     

    Wann wird das deutsche Volk sich aufraffen, um den ausländischen (galizisch-polnisch-russischen) Schmutzfinken und ihren inländischen Ebenbildern es zum Bewußtsein zu bringen, daß deutsch sein so viel wie anständig sein bedeuten soll?! ... Jeder Einsichtige wird darum doch die Hersteller solcher Schmutzfilme - und das weiß selbst der deutsche Michel, daß 95% der Filmfabrikanten JUDEN sind! - als gemeine Verführer betrachten, denen nur der eigene Geldbeutel heilig ist.

    (Der katholische Theologe Albert Sleumer 1956 (!!!) mit amtskirchlichem Segen)

     

    [ich schlage vor,] für jeden deutschen Zivilisten, der durch alliierte Bombenangriffe ums Leben gekommen ist, zehn Juden aufzuhängen.

    (Der evangelisch-lutherische Pfarrer Friedrich Wilhelm Auer aus Larrieden/Franken in einem Brief an den Herausgeber des 'Stürmers' Julius Streicher, Sep. 1942)

     

    Ist es christlich, wenn die Slowaken sich von ihren ewigen Feinden, den Juden, befreien wollen? Die Liebe zu unserem Nächsten ist Gottes Gebot. Seine Liebe macht es mir zu Pflicht, alles zu beseitigen, was meinem Nächsten Böses antun will.

    (Der Priester und polit. Prälat Jozef Tiso, 1990 zur Heiligsprechung vorgeschlagen, zwischen 1939-1945 Präsident der Slowakei)

  • DN
    Dr. No

    Einem ehemaligen ukrainischen Gefangenen, der dann auf der untersten Stufe der Hierarchie im KZ seine sadistischen Neigungen ausgelebt hat, macht man den Prozess - und der Pacelli-Papst, wird heilig gesprochen. Es ist einfach unfassbar. Wo bitte schön ist das HOLOCAUST-MAHNMAL DES VATIKAN??? Hätten nur ein paar Geistliche den Mut gehabt, offen in einer vollen Kirche gegen die Judenverfolgung aufzustehen, es wäre schwer geworden, den Holocaust durchzuziehen. Ganz ganz schwer!!! Aber Hitler hat wie so oft gut geblufft und gewonnen.

     

    Übrigens: Selbst der "Löwe von Münster" Bischof Clemens August hat nur gegen die Euthanasie und die Behinderung der katholischen Kirche protestiert, nie gegen die Judenverfolgung. Und den Russlandfeldzug hat er gepriesen. Oh die Schwarzröcke hätten sterben können, tatsächlich. Aber im Gegensatz zu ihren Altersgenossen haben fast alle dieser Leisetreter den Krieg überlebt... In jedem Kuhkaff werden Stolpersteine gegen das Vergessen eingelassen (was ich nicht schlecht finde) - aber wo bitte schön sind die Stolpersteine des Vatikan? Statt dessen werden die Wegseher von einst heilig gesprochen. Ein deutscher Papst nimmt Holocaust-Leugner-Bischof wieder in die Kirche auf und spricht dann Pacelli heilig. Dieser Papst in eine Schande für die Katholische Kirche!!!

     

    Da kann ich nur sagen: Gute Nacht stille Nacht!

  • M
    Miche

    Der Titel Ihres Artikels ist irreführend: Wie im Text selbst dann richtig geschrieben wird, handelt es sich - erst einmal - um Seligsprechung. Um heilig gesprochen zu werden, sind durch die Kirche anerkannte Wunder nach dem Ableben nötig.

     

    Ich habe mich bisher immer über die inflationäre Heilig- oder Seligsprechung unter Johannes Paul II. gewundert - bis mir ein Katholik erklärte, dass dies mit dem veränderten Heiligkeitsverständnis (nach dem 2. Vatikanischen Konzil) zusammenhänge. Demnach käme das Prädikat "selig" nicht mehr nur dem Superhelden zu, sondern auch dem Durchschnittschrist, der sein Leben für andere gebe. (Das muss ja nicht immer gleich zum Tod führen.) Für die vielen (mir) unbekannten Christen, die unter JP2 selig erklärt wurden, leuchtet mir das ein.

     

    Bei Pius XII. liegt der Fall schon etwas anders. Ein Mann in seiner Position muss nach seiner Verantwortung in Krisenzeiten beurteilt werden. Er war eben nicht der Kleinunternehmer von nebenan, der unter Lebensgefahr ein paar Juden versteckt hat. Von einem Mann in seiner Position verlangt man - zumindest nach heutigen Maßstäben -deutlich mehr.

    Ich kann nicht verstehen, dass die Kurie so schnell auf eine Kanonisierung drängt!(Mindestfrist für Seligsprechung sind 50 Jahre nach Tod) Bei einem Papst sollte doch sehr vorsichtig agiert werden!

  • KK
    Klaus Keller

    Gilt es auch wenn er sehende erblinden lies?

    Wenn ja dann dauert es nicht mehr lange.

     

    Um die Gegner zu beruhigen kann Ratz der Erste ja mal nach Jasenovac pilgern, ein Kniefall dort wäre das mindeste.

     

    Ein anschließender Rücktritt wäre dann mal was neues.

     

    klaus keller hanau

  • R
    responsum

    1. Päpste sind definitionsgemäß Berufsheilige, da mag man drüber denken was man will.

    2. Die Behauptung Pius der XII hätte geschwiegen stimmt in dieser Plattheit nicht. Die Weihnachtsansprache 1942 war, ohne den Judenmord direkt so zu bezeichnen, unmißverständlich genug.

     

    Er ist zurecht eine umstrittene Persönlichkeit, was man ihm in gewisser Weise fast zu Gute halten kann, denn bei einer Menge anderer aus dieser Zeit gibt es keine Zweifel.

  • A
    atypixx

    Angst, die Situation der Jueden noch zu verschlimmern? Wie hätte das aussehen sollen? Dass sie nicht nur vergast, sondern vorher noch gefoltert werden? ... Ach ne, wurden sie ja sowieso.

  • A
    Amos

    Auch Priester sind Menschen-, und die haben Angst.Sie

    Predigen zwar den Himmel, aber die Zweifel scheinen

    größer zu sein als der Glaube. Das Papa-Mobil zeigt doch schon dass man mehr auf die Technik vertraut als auf

    den Himmel. Papst Pius der XII war nicht schlechter

    als andere Päpste vor ihm. Aber warum selig sprechen? Wie kann ein Mensch einen anderen Menschen

    selig sprechen? Gibt es einen Gott, dann folgt die

    Belohnung im "Himmel". Es scheint, das hohe Ämter dazu das sind irgendetwas zu machen, damit die aufgebaute Hybris Bestand hat. Das fängt bei dem

    Beamtentum an und hört beim Papst auf.