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Hot Summer GrooveRock dich gut!

■ Ein freies Seminar für Rocknachwuchs feilt an Hamburgs Musiktalenten

„Um die Förderung junger deutscher Musik-Talente kümmert sich niemand!“, schimpft das Presseinfo des Hot Summer Grooves, welcher sich eben dieses Notstandes anzunehmen gedenkt. Die lokalkulturelle Symbiose des Vereins „Musizierende Toiletten“, der ausgediente Bedürfnisanstalten in Übungsräume umwandelt, und des drogenfreien Jugendprojekts „Laß 1000 Steine rollen“ will mit dem „heißen mjusikwörkshop“ (Presseinfo) ambitionierten Musikern helfen, ihre Fertigkeiten unter fachmännischer Anleitung weiterzuentwickeln. Bereits seit dem 27. Juni und noch bis zum 5. Juli findet der professionelle Musiknachhil-feunterricht statt und erfreut sich nicht geringer Beliebtheit. Über 80 potentielle Popstars aus Hamburg und Umgebung bewarben sich für 50 Plätze, und erstmals findet anschließend auch in Bremen und Hannover ein Hot Summer Groove statt.

In Hamburg konnten sich im ersten Teil, der „Hot Summer Groove-Klinik“, kompositorisch, tontechnisch und performancemäßig lädierte Bands von erfahrenen Musikhochschul-Ärzten kurieren lassen und ihre gelungene Genesung am vergangenen Samstag in Form eines Konzertes der Öffentlichkeit vorstellen.

Ab Sonntag haben in einem zweiten Teil circa 50 Einzel-Musizierende die Möglichkeit, sich im Rahmen der „Intensiv-Woche“ gezielt an ihren Instrumenten zu verbessern. Die in Einzelarbeit erlernten Fähigkeiten können dann in ein täglich zu absolvierendes „Bandtraining“ eingebracht werden. Eine veritable Festival-Atmosphäre entsteht dabei allerdings weniger – sei es wegen der stark durchstrukturierten Tagesabläufe, des schlechten Wetters oder gar der Alkoholprohibition. Aber schließlich geht es ja auch darum, den „heißen mjusikwörkshop“ eher kühl analysierend zu praktizieren und die Bäuche einer Kopfkontrolle zu unterziehen.

Dazu paßt das auch Nicht-Teilnehmern zugängliche „Biz-Lex“ (Business-Lexikon), das zum täglichen Abschluß um jeweils 21 Uhr geöffnet wird und musikindus-trielle Fachleute (z.B. von VH-1 oder der GEMA) aus ihren Nähkästchen plaudern läßt. Das Risiko einer Vermainstreamung der Teilnehmenden sehen die Veranstalter dabei nicht. Vielmehr gehe es darum, Informationen über Funktionsweisen der Musikindustrie zugänglich zu machen und so auch eine Problemsensibilisierung zu erzeugen.

Eine Problemsensibilisierung anderer Art ist bisher ausgeblieben: Die Hamburger Kulturbehörde unterstützt den Hot Summer Groove mit einem vergleichsweise almosenhaften Zuschuß von 6.000 DM. „Umdenken, ihr Penner!“, fordert deshalb Mit-Organisator Oliver Camp von der Kulturbehörde. Diese kann sich, wie alle anderen Interessierten, beim morgigen Abschlußkonzert von der tatsächlichen Qualität der musikalischen Professionalitätsgewinne überzeugen und fürs nächste Jahr vielleicht einige Taler mehr rollen lassen.

Christian Schuldt

Abschlußkonzert: Freitag, 5. Juli, 20 Uhr, Trockendock

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