HAMBURGER SZENE VON KLAUS IRLER : Ritter der Nacht
Was für ein Versprechen! „Frühstück bis 18 Uhr“ steht auf dem Schild vor dem Café im Schanzenviertel. Es ist Dienstag Abend, das Schanzenviertel wogt vor Menschen, und wir geraten ins Schwärmen: Frühstück um 18 Uhr, das hieße bei einer Nachtruhe von acht Stunden und einer Dusch- und Aufstehphase von einer Stunde, dass der Frühstücker um neun Uhr morgens ins Bett gegangen sein muss. Werktags! Durchmachen! In Hamburg!
Wir stöhnen auf vor Neid und sagen uns, dass es halt am Alter liegt, wenn wir nachts schlafen. Aber wir wollen sie zumindest anschauen, die Ritter der Nacht, die freien, verlorenen und rastlosen. Wer hat die Schwärze von Montag auf Dienstag ausgesessen, ist in der Morgendämmerung über die Piazza getanzt und beim ersten Sonnenstrahl über seinen Schatten gesprungen? In dem Café frühstückt – niemand. Dafür sagt ein Mädchen mit Pferdeschwanz und Pfälzer Dialekt, dass sie bald ihre Steuererklärung machen müsse.
Also schauen wir nach nebenan zum Kiosk. Vor dem sitzen vier junge Männer auf einer Bierbank und haben zwischen sich und der Welt eine Wand aus leeren Bierflaschen aufgebaut. Die jungen Männer schweigen und schauen gelangweilt, so, als warteten sie auf etwas, auf jemand, auf einen Grund, um 18 Uhr zu frühstücken. Lange Zeit passiert nichts. Dann kommt der Kioskbesitzer. Und räumt ab.