piwik no script img

Rita grüßt die Sonne

■ „Kinoheldinnen“– ein Seminar zu Frauenbildern im Kino

Wann wird eine Frau zur Heldin? Die Frage nach den Heldinnen im Kino wird in der feministischen Filmtheorie je nach Frauenbild und Anspruch ganz unterschiedlich beantwortet. Allein in den letzten zwei Jahren sind mit Bad Girls – Hollywoods böse Beauties von Sabine Reichel und Marilyns starke Schwestern von Christiane Peitz zwei aufschlußreiche Bücher erschienen, die Frauenbilder des film noirs und des aktuellen Hollywoodkinos untersuchen und auf ihr emanzipatorisches Potential abklopfen. Beide Kritikerinnen werden am Samstag neben der Soziologin Frigga Haug im Rahmen des Seminars „Kinoheldinnen“aus ihren kontroversen Publikationen vortragen.

An zahlreichen Filmbeispielen zeigt etwa Sabine Reichel, wie im film noir endlich auch Frauen korrupte und zweifelhafte Charaktere sein konnten. Daß sich der Spielraum weiblicher Repräsentationen erweitert und Barbara Stanwyck, Bette Davis, Joan Crawford und Rita Hayworth aktive, zügellose und verführerische Frauen darstellen, reflektiere den während des Zweiten Weltkriegs veränderten Status der Frau. Ganz im Gegensatz zur Nachkriegsrealität besaßen die „Bad Girls“jedoch weder Kinder noch Job. Stattdessen aber Satinkleider und eine Knarre in der Handtasche, um die Mannsbilder ins Verderben zu stürzen.

Darüber drehte sich in manchem noirs das traditionelle Rollenverhalten um. So läßt sich The Lady From Shanghai (1948) von Orson Welles als eine solche Umkehrung deuten. Denn statt der Frau verzehrt sich Michael O'Hara (Orson Welles) vor Leidenschaft, und Rita Hayworth hat in der berühmten Spiegelszene ihren starken Abgang: „Grüß den Sonnenaufgang von mir.“

Doch ein Oneliner und eine Knarre allein macht noch keine Heldin. Denn die Bestandstaufnahme der Drehbuchautorin Sabine Reichel reduziert die Filme auf Drehbücher und vernachlässigt filmische Mittel vollständig. Kontrolliert nicht etwa durch die fast ausnahmslos männlichen Voice-Over nicht doch der Held die schwarze Serie? Revidiert eine Montage mit einer Putzfrau nicht nachhaltig die ikonographische Weiblichkeit?

Weil Sabine Reichel ferner fortwährend Analyse und Wunschbild verschneidet, werden ihre Begrifflichkeiten unscharf. Vollends aufgelöst hat sich das Konzept der Bad Girls, wenn die in Hollywood ansässige Publizistin auch noch die letzte Hitchcock-Aktrice als „Good Bad Girls“einsammelt. Zum Ende hin schmeißt sich Sabine so sehr an die „Bad Girls“heran, daß diese nur noch kumpelhaft mit Vornamen angeredet werden. Wenn von weiblicher Sexualität und dunklen, gewalttätigen Gefühlen, die die „Bad Girls“heutigen Kinoheldinnen vorexerzieren, die Rede ist, schliddert Sabine Reichel konzeptlos in eine Art Steinzeitfeminismus. Wo bleibt die fröhliche Gewalttätigkeit, die Kinoheldinnen immer noch weitgehend verwehrt bleibt? Volker Marquardt Sa, 12. April, ab 10 Uhr, Evangelische Akademie Nordelbien, Esplanade 15, Anmeldung unter Telefon 35 50 560

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen