: Risiko
Polens Parteiführung will Solidarnosc legalisieren ■ G A S T K O M M E N T A R E
Mitte letzten Jahres hatte der unabhängige Ökonom Ryszard Bugaj die Losung „Legalisierung als Prozeß“ lanciert, um die festgefahrenen Fronten im Kampf um die Wiederzulassung von Solidarnosc zu lockern. Es sieht danach aus, als wolle die Parteiführung diesen Prozeß jetzt einleiten. Solidarnosc soll schrittweise legalisiert werden. Voraussetzungen: Anerkennung der Partei als führende Reformkraft, Beschränkung auf Betriebsebene (die aber nicht wieder „Arena des politischen Kampfs“ werden darf), Zurückhaltung bei Streiks.
Offensichtlich hat sich die Parteiführung davon überzeugt, daß nur die Solidarnosc Walesas in der Lage ist, ihr in der Gesellschaft zu einem minimalen Vertrauenskredit zu verhelfen. Am Horizont winkt die große Koalition, der Anti -Krisen-Pakt. Genau diese Gefahr hat der Chef der offiziellen Gewerkschaft, Miodowicz im Auge, wenn er jetzt erklärt, die Eliten der Parteiführung und der Opposition verständigten sich zum Nachteil der Arbeiter. Steckt hinter diesen Redensarten ein wahrer Kern? Solidarnosc hat sich stets bereit erklärt, die „Kosten der Reform“ mitzutragen. Allerdings unter der Voraussetzung, daß die politischen Entscheidungen kontrollierbar seien und die ökonomischen Lasten gerecht verteilt werden. Zwischen Solidarnosc und den neu entstehenden demokratischen Organisationen kann eine Arbeitsteilung etabliert werden, aber an eine Entpolitisierung von Solidarnosc zu glauben ist eine Illusion. Jaruzelski und sein weiter östlich residierender Gönner gehen ein großes Risiko ein. Nur Mut, Genossen! (frei nach Lenin).
Christian Semmler
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