: Rheinhausener „sauer“ über Revierkonferenz
„Für uns hats nichts gebracht“ / 7 Milliarden für Airbus, nur eine für Ruhrgebiet / Betriebsrat: „Der Kampf geht weiter“ / Kurzstreiks auf der Krupp-Hütte / Unternehmer: Revier verträgt keine Negativschlagzeilen mehr / CDU-, FDP- und SPD-Politiker voll des Lobes ■ Aus Düsseldorf Walter Jakobs
Als am späten Mittwoch abend auf der Rheinhausener Krupp-Hütte langsam klar wird, daß während der Ruhrgebietskonferenz in Bonn keinerlei Entscheidungen bezüglich des Stahlstandortes in Rheinhausen gefallen sind, reagierten die Stahlkocher wie gewohnt; sie schmeißen die Brocken hin. Die Nachtschicht beginnt verspätet und schafft dann nur mit halber Kraft. Am Donnerstag morgen informiert der Betriebsrat die Frühschicht schon um sechs Uhr in der Krupp-Kantine über die Konferenzergebnisse. Nach Auskunft von Teilnehmern sind „die Kollegen stinkesauer“. Der „Unmut“ entlädt sich in einer kurzen, spontanen Demonstration von 800 Stahlkochern durch den Stadtteil, wobei vorübergehend auch einige Kreuzungen blockiert werden. Erst um zehn Uhr läuft die Produktion langsam wieder an. Betriebsrat Hans-Dieter Sperlig zur taz: „Für Rheinhausen ist bei der Konferenz doch nichts bei rumgekommen. Wir werden hier mit einer Milliarde fürs ganze Revier abgespeist, während der Airbus sieben Milliarden Mark bekommt“. Zwar könne man das Ergebnis, so Sperlig, eventuell als Schritt in die „richtige Richtung“ werten, aber „der Kampf um den Stahlstandort wird weitergehen“.
Duisburgs Oberbürgermeister Josef Frings (SPD), der zu den wenigen Politikern zählt, denen man in Rheinhausen noch traut, sprach demgegenüber von einem „ungewöhnlich guten Ergebnis“. In diesem Sinne äußerten sich nahezu alle Politiker der SPD, CDU und FDP. Für Ministerpräsident Johannes Rau hat das Montantreffen einen „Vitaminstoß für das Revier“ gebracht und der CDU-Generalsekretär Helmut Linssen hat einen „großen Erfolg für unser Land“ ausgemacht. Alfred Voßschulte, Präsident der Industrie- und Handelskammer in Dortmund, spricht von „Aufbruchsignalen“. Während der Konferenz in Bonn hatte Voßschulte dafür plädiert, das Problem Rheinhausen schnell zu lösen. „Zuvorderts“, so Voßschulte, wegen „der dort vor Ort betroffenen Menschen“, zum anderen aber auch, „weil das Thema aus den Medien heraus muß“. Das Ruhrgebiet vertrage „einfach keine negativen Nachrichten mehr“. Deshalb , so der Unternehmerlobbyist weiter, „schnelle, sozial-verträgliche Bereinigung der Ursachen der Proteste und Schluß mit der Konfrontation, und zwar mit allen Konfrontationen zwischen Gewerkschaften und Unternehmen, Bund und Land, und Aufbruch zu einer großen Zusammenarbeit“.
Die Unternehmer hielten sich im übrigen bedeckt. Größere Ansiedlungsprojekte wurden in Bonn nicht angekündigt. Hoesch will in Dortmund, wie Krupp und Thyssen in Duisburg, Gelände zur Verfügung stellen, wobei manche dieser Angebote geschenkt zu teuer sind, denn die Rekultivierung der zum Teil völlig verseuchten Böden verschlingt Millionen, die die „Schenkenden“ nach dem Verursacherprinzip eigentlich selbst aufzubringen hätten. Thyssen- Chef Spethmann kündigte ferner ein Lasertechnik-Projekt für Duisburg an und der Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, schlug eine Initiative der Wirtschaft „Revier – für die Zukunft“ vor, wobei bisher nicht nach außen drang, was der Bank-Boß damit konkret meint.
Da hören sich die Projekte der Bundesregierung wesentlich konkreter an. Wie berichtet will Bonn im Verein mit Düsseldorf eine Milliarde zusätzlich ins Revier leiten, in Dusiburg zudem einen Freihafen schaffen, die Bundespost- und Bundesbahninvestitionen in NRW nachhaltig ausweiten, eine Schnellbahnstrecke zwischen den beiden Flughäfen in Düsseldorf und Köln bauen und die „Rheinquerung der A44 als Brücke mit Vorlandtunnel“ verwirklichen. Gerangel gab es am Freitag um den Standort der „Deutschen Agentur für Raumfahrtangelegenheiten“ (DARA). Klar ist nur, daß sie nach NRW kommt, wobei Köln-Porz in Konkurrenz zu Bonn steht. Die hier genannten und gut ein Dutzend weitere Projekte sollen möglichst schnell umgesetzt werden. Für die nahe Zukunft kündigte Helmut Kohl „eine Erfolgskontrolle“ an.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen