: Revolutionärer Einkauf
■ Geschäfte im Karoviertel wollen am 4. Advent öffnen. Gewerkschaft warnt
Wer anklopfet, dem werde aufgetan. Nach diesem Verfahren wollen 30 Läden im Karoviertel am vierten Adventssonntag vorgehen. Das ist aber auch das einzig Biblische, was sie vorhaben. Handel am Sonntag, das findet wohl kaum geistlichen Beistand. Eine einmalige Aktion soll es zunächst sein, was der Gewerbeverein Karoviertel da vor hat: Am 19. Dezember sollen in und um die Marktstraße zahlreiche Geschäfte geöffnet haben.
Charly Jungbluth weiß, dass das nicht gestattet ist. „Wir werden wohl tierischen Ärger bekommen“, sagt der Ladeninhaber und macht trotzdem mit. Man wolle ein Zeichen gegen den Ladenschluss damit setzen. „Ich hasse Sonntagsarbeit auch, aber wenn jemand öffnen will, dann soll er es auch tun können“, sagt Jungbluth.
Mit Tricks wollen die Geschäftsleute arbeiten und haben sich schon mal die Hilfe eines Anwaltes gesichert. Die Ladentüren bleiben geschlossen, aber wer anklopft oder vom Türsteher eingeladen wird, darf eben doch rein. Das Motto des Tages laute: „Geschlossene Gesellschaft: Bitte anklopfen.“ Schön ausgedacht, aber wirkungslos. Das Bezirksamt Mitte hat über seine Sprecherin Claudia Eggert bereits klar gemacht: „Verkauf ist Verkauf, und unerlaubte Sonntagsöffnung bleibt unerlaubte Sonntagsöffnung.“
Wenn die Geschäftsleute ihre Ankündigung wahr machen und öffnen, wird die Behörde einschreiten. „Wahrscheinlich werden an drei oder vier Läden Exempel statuiert. Das Bezahlen des Bußgeldes werden wir dann unter uns aufteilen“, sagt Jungbluth. Sorge, dass die Gewerkschaft Handel Banken und Versicherungen etwas gegen die Öffnungspläne hätte, macht er sich nicht.
Sollte er aber, denn die HBV hat „null Verständnis für die Aktion“. Geschäftsführer Jörg Reinbrecht vermutet, dass „die kleinen Läden das noch nicht richtig durchdacht“ haben, denn jedes Engagement für die Sonntagsöffnung nutze langfristig nur den großen Kaufhäusern. „Der Schuss geht nach hinten los.“
Jungbluth sieht das anders. Die Marktstraße sei heute „so ein biss-chen wie die Carnaby Street“, und das müsse man der Öffentlichkeit verkaufen. „Das Karoviertel war früher revolutionäres Viertel und ist heute Einkaufsviertel.“
Peter Ahrens
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