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Revolutionäre Stärke

■ SPD will nach 150 Jahren nicht länger auf die Revolution warten, sondern regieren

Berlin (taz) – Den entscheidenden Satz hatte Gerhard Schröder rasch aufgeschnappt. „Marx hat es nicht geschafft, aus der SPD eine revolutionäre Partei zu machen“, sagte ein Diskutant, kurz nachdem Schröder den Saal betreten hatte. Der Kanzlerkandidat bezog das Bonmot sogleich auf sich selbst: „Das erinnert mich an meine eigenen, gescheiterten Versuche vor zwanzig Jahren.“

Am Wochenende debattierten sozialdemokratische Historiker und Politiker in Berlin über die Revolution von 1848. Es war nicht das erste Mal, daß die Sozialdemokraten die Tradition der Achtundvierziger für sich zu vereinnahmen suchten. Der Berliner Historiker Jürgen Kocka erinnerte daran, daß schon August Bebel im Jubiläumsjahr 1898 vor dem Reichstag die Sozialdemokratie zur legitimen Erbin von 1848 stilisiert und dem Bürgertum vorgeworfen hatte, seine eigenen liberalen Prinzipien verraten zu haben.

Daß die Partei „die bürgerlich- demokratischen Traditionen nach der gescheiterten Revolution wirkungsvoll mitvertreten“ habe, konnte hingegen Sozialhistoriker Klaus Tenfelde „nicht erkennen“. Revolutionär war Bebels Partei erst recht nicht. „Die Sozialdemokratie“, wußte deren Chefideologe Karl Kautsky, „ist eine revolutionäre, aber keine Revolutionen machende Partei.“

Lange genug hatte Kautsky der Partei eingeredet, sie müsse auf die mit Naturnotwendigkeit kommende Revolution einfach nur warten wie auf einen Messias. Andererseits konnte sie sich auch nicht dazu durchringen, in der „bürgerlichen“ Demokratie ein erstrebenswertes Ziel und nicht nur ein Mittel zu sehen.

Während sich das Bürgertum vor einer Revolution fürchtete, hatten die Sozialdemokraten vor allem Angst vor der Verantwortung. Das kann nicht erstaunen, war doch ihr Bewußtsein nach Ansicht von Johannes Rau „entscheidend durch Niederlagen“ geprägt, zu denen auch die Revolution von 1848 gehörte. Gerhard Schröder ließ keinen Zweifel daran, daß er damit Schluß machen will, ohne sozialdemokratisches Traditionsempfinden zu mißachten. „Was würde Willy Brandt wohl dazu sagen“, fragte er unter dem Jubel der Genossen, „wenn der erste Kanzler, der von Berlin aus regiert, ein Sozialdemokrat sein wird?“ Ralph Bollmann

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