Restituierte „Benin-Bronzen“: Protest gegen Rückgabe an Nigeria

Das Herrscherhaus in Benin war massiv am Sklavenhandel beteiligt. Dennoch restituiert die Bundesrepublik Kunstobjekte vorbehaltlos an Nigeria.

Benin-Bronzen: zeremonielles Gefäß einer knieenden Frau und andere Objekte in Hamburg

Benin-Bronzen: zeremonielles Gefäß einer knieenden Frau und andere Objekte in Hamburg Foto: Stephan Pflug/Museum am Rothenbaum MARKK

Dass die Hofkunst des Königreichs Benin, die sogenannten Benin-Bronzen, von Deutschland an Nigeria zurückgegeben werden, wird weithin begrüßt. Doch nun regt sich Widerstand dagegen – von afroamerikanischen Ak­ti­vis­t:in­nen in den USA.

Nachfahren der Opfer des transatlantischen Sklavenhandels fordern, dass die Restitution der Benin-Kunst gestoppt wird. Der Grund: Das Königreich Benin war ein Drehkreuz im transatlantischen Handel mit versklavten Menschen aus Westafrika und hatte zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert massiv vom Menschenhandel profitiert.

Reliefplatten und Kopfplastiken aus Gelbguss, Elefantenstoßzähne mit feinen Schnitzereien oder reich verzierte Holztruhen: Die Objekte hinter dem einschlägigen Begriff der „Benin-Bronzen“ sind divers und zahlreich. 1897 waren die Kunstobjekte von britischen Kolonialtruppen aus dem königlichen Hof des Benin-Reichs im heutigen Bundesstaat Edo im Süden Nigerias geraubt worden.

1.100 Benin-Objekte in Deutschland

Über europäische Händ­le­r:in­nen gelangten sie weltweit an Museen und Privatleute. Allein in deutschen Museumsbeständen befinden sich rund 1.100 Benin-Objekte, die meisten davon im Ethnologischen Museum Berlin, weitere unter anderem in den Ethnographischen Sammlungen Sachsen und im Museum am Rothenbaum in Hamburg. Sie sollen nun zurück.

Mehrere deutsche Städte und Bundesländer haben mittlerweile die Eigentumsrechte der Benin-Werke an Nigeria übertragen. Im Dezember reisten Kulturstaatsministerin Claudia Roth und Außenministerin Annalena Baerbock nach Abuja in Nigeria und brachten 20 Benin-Kunstwerke aus deutschen Museen mit. In Benin City soll die restituierte Hofkunst zukünftig in einem eigenen Museum gezeigt werden. Doch in welchem, ist bislang ungeklärt.

Von deutscher Seite wird betont, dass die Benin-Objekte bedingungslos zurückgegeben werden, die Verantwortung über den weiteren Umgang mit der Kunst allein Nigeria obliege. Der Bundesstaat Edo plant nun das Edo Museum of West African Art (EMOWAA), das aber bislang nur als Konzept des ghanaisch-britischen Architekten David Adjaye existiert.

Benin Royal Museum

Der bis heute fortbestehende Königshof Benin will stattdessen sein eigenes Benin Royal Museum bauen. Damit könnten die Kunstgegenstände an jenen Königshof zurückkehren, der einen Teil seines Reichtums auf dem Menschenhandel gründet, der bis weit ins 19. Jahrhundert andauerte.

Diese Tafel zeigt einen Portugiesen mit fünf Manillas, Metallringen aus Messing oder Bronze

Diese Tafel zeigt einen Portugiesen mit fünf Manillas, Metallringen aus Messing oder Bronze Foto: KHM-Museumsverband, Weltmuseum Wien

Genau das wollen afroamerikanische Ak­ti­vis­t:in­nen der Restitution Study Group verhindern. Die in der Metropolregion von New York City ansässige gemeinnützige Organisation hat sich den Rechten der Nachfahren des transatlantischen Sklavenhandels verschrieben. Sie fordert, dass keine neuen Abkommen über die Rückführung von Benin-Werken abgeschlossen und bestehende Abkommen aufgehoben werden.

Stattdessen sollten die Nachfahren der Sklaven in den Amerikas und in Europa in die Verhandlungen einbezogen werden. „Sie gehören uns allen“, so der Wahlspruch der Restitution Study Group in Bezug auf die Benin-Werke. Deadria Farmer-Paellmann ist die Gründerin und Geschäftsführerin der Organisation. Ihr geht es vor allem um die Herkunft des Materials, aus dem die Benin-Bronzen gefertigt wurden.

Denn ein Ausgangsmaterial für die Bronzegüsse waren aus Kupfer, Bronze oder Messing hergestellte Armreifen, sogenannte Manillas. Der Hof von Benin hatte die Manillas von europäischen Händ­le­r:in­nen erhalten, im Tausch gegen versklavte Afrikaner:innen, mit dem das Benin-Reich die Sklavenroute über den Atlantik fütterte.

„Portugiesische, britische, niederländische, amerikanische Händ­le­r:in­nen – so ziemlich alle, die im Sklavenhandel mit dem Königreich Benin involviert waren, bezahlten sie mit den Manillas. Wir nennen sie deshalb Blut-Metall“, so Farmer-Paellmann im Gespräch mit der taz. Die Benin-Kunst nun an die Erben der Skla­ven­händ­le­r:in­nen zurückzugeben sei geschichtsvergessen, sagt die Aktivistin.

Sklavenhandel in Benin
Barbara Plankensteiner, Direktorin des Museums am Rothenbaum (MARKK)

Barbara Plankensteiner, Direktorin des Museums am Rothenbaum (MARKK) Foto: Markus Scholz/picture alliance

Heute wird angenommen, dass etwa zwölf Millionen Menschen als Skla­v:in­nen aus Afrika über den Atlantik verfrachtet worden sind. Sie mussten auf Plantagen in den Amerikas und der Karibik schuften. Nach Schätzung des Historikers David Eltis war die Bucht von Benin zwischen 1519 und 1867 mit insgesamt zwei Millionen versklavten Menschen daran beteiligt.

Die Eu­ro­päe­r:in­nen hätten diesen Menschenhandel weit vor der Kolonisierung Afrikas alleine nie bewerkstelligen können. Ihnen gelang es nur, weil sie in bestehende afrikanische Märkte eindrangen und sich mit den Plantagen in Übersee riesige Absatzmöglichkeiten für die Ware Mensch boten.

Weil die Benin-Bronzen auch ein Resultat dieses Menschenhandels sind, verbietet sich nach Ansicht der Restitution Study Group die Rückgabe der zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert hergestellten Kunstwerke. „Die Bronzen, die aus dem Blut-Metall gemacht wurden, sollten genau dort bleiben, wo sie sind. Das fordern wir auch von Deutschland“, sagt Farmer-Paellmann.

Objekte, die hingegen vor dem Eintreffen der Portugiesen an der westafrikanischen Küste gefertigt wurden und damit nicht in die Zeit des transatlantischen Sklavenhandels fallen, seien unbedenklich. „Ich denke, dass es richtig ist, die Bronzen an den Oba von Benin zurückzugeben, aber nur jene aus dem 12. bis 15. Jahrhundert und solche, die nicht aus Metall, sondern aus Elfenbein, Leder oder Holz gefertigt sind.“

Nachfahren der Sklaven in den USA
Deadria Farmer-Paellmann von der Restitution Study Group

Deadria Farmer-Paellmann von der Restitution Study Group Foto: Nils Paellmann

Bei alldem geht es der Restitution Study Group nicht nur um vergangenes Leid. Die Schwarze Bevölkerung in den USA werde heute nach wie vor benachteiligt. „Es geht darum, die Lebensbedingungen dieser Nachfahren zu verbessern“, sagt Deadria Farmer-Paell­mann. Dazu gehöre aber eben auch, den Nachfahren der Sklaven den Zugang zur eigenen Herkunftsgeschichte dauerhaft zu ermöglichen.

Im Streit um die Restitution der Benin-Bronzen nimmt Barbara Plankensteiner hingegen eine andere Haltung ein. Plankensteiner ist die Direktorin des Hamburger Museums am Rothenbaum. Sie leitet also eines der Museen, die ihre Benin-Bestände an Nigeria überführen.

Erst im Dezember war im Hamburger Rathaus der Vertrag zur Eigentumsübertragung der 179 Benin-Objekte aus dem Bestand des Museums unterzeichnet worden. Vereinbart ist mit der Republik Benin, dass zwei Drittel der Werke zurückgegeben werden, ein Drittel hingegen als Leihgabe in Hamburg verbleiben soll.

Der Hof von Benin hat die Manillas von europäischen Händ­le­r:in­nen erhalten, im Tausch gegen versklavte Afrika­ne­r:in­nen

Die von der Restitution Study Group angeführte Verbindung der Benin-Kunst mit dem europäischen Sklavenhandel bestätigt Plankensteiner. Sie schränkt dabei aber im Gespräch mit dieser Zeitung ein, dass portugiesische Manillas im Benin-Reich auch jenseits des Handels mit versklavten Menschen gegen herkömmliche Waren eingetauscht wurden.

Manillas gegen Sklaven

O-Ton Plankensteiner: „In der Tat ist europäisches Messing im Königreich Benin in Form von Manillas importiert worden und als Tauschgegenstand gegen verschiedenste Produkte eingesetzt worden. Am Anfang war das unter anderem Pfeffer, sehr viel Elfenbein, und später wurden auch versklavte Menschen gegen Manillas und andere Importgüter eingetauscht.“

Nun ist aber die Versklavung und der Handel mit Menschen etwas grundsätzlich anderes als der Export von Pfeffer. Das sieht auch die Museumsleiterin auf Nachfrage so. Daraus will sie aber nicht dieselben Schlussfolgerungen wie die Restitution Study Group ziehen.

Die Aufarbeitung der Geschichte der Sklaverei sei insgesamt ein wichtiges Thema. Ja. Auf den Prozess der Restitution der Benin-Werke habe der Protest jetzt jedoch keine Auswirkungen. „Die Restitution hat ja schon stattgefunden“, sagt Plankensteiner. Mehr noch: „Ich bin überzeugt davon, dass es ein wichtiger und richtiger Schritt war.“

Die Hamburger Museumsleiterin teilt die Sorge der afroamerikanischen Restitution Study Group nicht, dass mit der Restitution den Nachfahren des Sklavenhandels der Zugang zu den Benin-Werken zukünftig verwehrt würde. „Es bleiben Dauerleihgaben in den Museen. Die Benin-Kunstwerke werden also auch in den USA und Europa weiterhin zugänglich bleiben.“

Kolonialismus und Sklaverei

Sie schließe sich vielmehr der Aussage des Hamburger Historikers Jürgen Zimmerer an, der davor warne, die Nachfahren der Opfer des Kolonialismus und jene der Versklavung gegeneinander auszuspielen. Nur ignoriert diese Position, dass die Nachfahren der Opfer des Sklavenhandels Aufmerksamkeit für einen Teil der Geschichte einfordern, der in der Restitutionsdebatte bislang ungenannt bleibt: die Beteiligung des Benin-Reichs am transatlantischen Sklavenhandel.

Deadria Farmer-Paellmann fordert deshalb Anerkennung als „Nachfahren derjenigen, die für die Bronzen mit ihrem Leben bezahlt haben“. Dabei beruft sie sich auf DNA-Tests, mithilfe derer sich die Herkunft der afroamerikanischen Bevölkerung in den USA zuordnen ließe.

Sie selbst könne einen Teil ihrer Herkunft auf das Gebiet des heutigen Nigerias zurückführen. „Wir wollen, dass die Bronzen dort bleiben, wo sie sind. Und wo wir als Nachfahren heute sind, ob in den Amerikas, in Deutschland oder Großbritannien.“

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