Reptilien in Gefahr: Bis dass der Tod uns scheidet
Viele Menschen bringen ihre Reptilien ins Heim. Aber auch in der Energiekrise sollte man solidarisch bleiben.
A ch, Reptil müsste man sein! Die schuppigen Überlebenswunder gelten als Energiesparwesen. Sie kommen mit erheblich weniger Brennstoff aus als der gemeine Fell- und Federträger mit seiner ressourcenintensiven internen Dauerheizung, die man auch bei glühendstem Zorn gegen Putin nicht einfach um zwei Grad herunterdrehen kann. Deswegen braucht das Reptil nur einen Bruchteil der Energie eines gleich massigen Warmblüters.
Werden die Umweltbedingungen zu widrig, wir nennen es Winter, begeben Reptilien sich an ein geschütztes Örtchen, fahren ihren Stoffwechsel auf fast null herunter, stellen also oft über viele Monate nicht nur Bewegungen weitgehend ein, sondern auch den Herzschlag und sonstige Körperfunktionen. Ein verlockendes Konzept: Statt sich mit Krieg, Inflation und WM-Boykott herumzuschlagen, ein halbes Jahr wohliges Dämmern. Selbst Christian Lindner, Elon Musk und Harald Martenstein würden einfach mal Ruhe geben.
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Bleibt jedoch alles so unerfreulich, wie es momentan ist, könnte das Aufwachen für die eine oder andere Schlange oder Schildkröte im kommenden Frühjahr eine echte Überraschung bergen: Wo sie sich bislang gemütlich in einem Terrarium eines Reptilienmenschen (einem der guten!) räkelte und sich auf die zweiwöchentliche Mäusemahlzeit oder die tägliche Fuhre Löwenzahn freute, könnte sie sich nun plötzlich in einem Tierheim wiederfinden.
Die Energiekrise zieht nämlich weite Kreise. Tierheime berichten, dass nicht nur verstärkt Hunde und Katzen abgegeben werden, weil ihre Menschen sie angesichts dramatisch steigender Preise nicht mehr durchfüttern können. Mit Schrecken erfahren wir: auch Reptilien unter den Opfern! Denn außerhalb der Winterruhe mögen Bartagame und Wasserschildkröte es deutlich heller und wärmer, als es in hiesigen Wohnungen üblich ist, und so werden zur artgerechten Pflege stromintensive, helle und oft auch UV-Licht abstrahlende Lampen benötigt.
Ein paar hundert Watt kommen da schnell zusammen – und die schlagen nach den jüngsten Strompreiserhöhungsorgien nicht unerheblich zu Buche. Was erst recht zur Kostenfalle wird, wenn der Pflegling aus den Tropen kommt und auf die praktische Überwinterung gleich ganz verzichtet. Im Gegensatz zum Menschen kann sich der Leguan keinen dickeren Pullover anziehen und verlangt auch außerhalb der Weihnachtszeit vollen Lichterglanz.
Doch mit Heimtieren ist es wie mit der Ehe: in guten wie in schlechten Zeiten. Die Tiere draußen „freizulassen“, sprich: auszusetzen, ist aus guten Gründen strikt verboten. Ein gewissenloser Schuft, wer es dennoch tut. Das gilt für Fell- wie Schuppentragende. Die Tierheime sind überlastet. Also heißt es: Solidarisch bleiben und die eigenen Ansprüche herunterdrosseln. Oder für eine Photovoltaikanlage auf dem Dach sorgen, wie es viele Reptilienenthusiasten gerade angehen. So dringt die Energiewende bis ins Schlangenheim vor.
Ansonsten ein kleiner Tipp zur Vereinbarkeit von Familie und Tierleidenschaft: Versuchen Sie es doch mal mit Salamandern! Die mögen es kalt und dunkel, und mit ihrer Pflege kann man sogar aktiv zum Artenschutz beitragen, denn ihnen geht es in der Natur zunehmend an den schleimigen Kragen.
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