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■ Tour d'EuropeRenten für Veteranen

Ein Blick auf die Rentengesetzgebung erlaubt Rückschlüsse, wie einzelne Länder mit ihrer Geschichte umgehen. Veteranen von baltischen Freiwilligenverbänden beziehen bis zu mehrere hundert Mark Rente aus Deutschland. In Polen gibt es seit Jahren eine heftige Debatte darüber, ob Angestellte der kommunistischen Polizei, der Geheimdienste und der Truppen des Innenministeriums ihrer Veteranenrenten beraubt werden können. Polens Kommunisten hatten nach sowjetischem Vorbild nicht nur kommunistischen Partisanen und bürgerlichen Widerständlern gegen die deutsche Besatzung Rentenprivilegien angedeihen lassen, sondern auch jenen, die sich nach dem Krieg „um die Erhaltung der Volksmacht“ verdient gemacht hatten. Nach der Wende 1989 stellten viele Veteranen, die in deutschen KZs gelitten haben, mit Erstaunen fest, daß im gleichen Verband auch „verdiente Kämpfer“ saßen, deren Verdienste fürs kommunistische Vaterland nicht im Kampf gegen die Besatzer, sondern im Foltern von Partisanen bestanden, die die kommunistische Macht klassenfeindlicher Umtriebe bezichtigt hatte. Polens Rechte zog daraus radikale Konsequenzen: Ihre Veteranenrenten sollten alle verlieren, die auch nur das geringste mit dem Kommunismus zu tun gehabt hatten – selbst Freiwillige, die in den 30er Jahren zum Kampf gegen Franco nach Spanien gezogen waren.

„Schwamm drüber“ sagten sich dagegen die Behörden in Weißrußland, wo während des Krieges weißrussische Kommunisten gegen die Deutschen und polnische Partisanen gegen Deutsche, Kommunisten und weißrussische Nationalisten für die Zugehörigkeit des weißrussischen Westens zu Polen kämpften. Nach dem Krieg erhielten alle Veteranenrenten: die polnischen und die weißrussischen Partisanen. In Litauen gelten die polnischen Veteranen als Landesverräter und dürfen nicht einmal einen Club gründen. Dafür rehabilitierten die litauischen Behörden unter der Hand frühere Kollaborateure, die sich an deutschen Massenexekutionen von Juden beteiligt hatten, als „Opfer stalinistischer Schauprozesse“. In der Ukraine waren während des Zweiten Weltkriegs vor allem zwei Formationen aktiv: die kommunistischen Partisanen, die zwar gegen die deutsche Besatzung, aber auch gegen eine unabhängige, bürgerliche Ukraine kämpften, und die „Ukrainische Aufstandsarmee“ (UPA), die gegen Ende des Krieges sowohl gegen Deutschland als auch gegen kommunistische Partisanen und die Rote Armee, als auch gegen polnische Partisanen kämpfte, die für die Zugehörigkeit der Westukraine zu Polen eintraten. Veteranenrenten erhielten bis 1991 nur die kommunistischen Partisanen und die ukrainischen Soldaten der Roten Armee. Jetzt erhalten auch UPA-Kämpfer Renten – vorausgesetzt, sie kämpften gegen Deutschland. Wer gegen Polen und Sowjets gekämpft hat, geht leer aus.KB

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