Religionsunterricht: Kirchen fordern christliche Ethik
Nach der Niederlage von "Pro Reli" wollen die Kirchen mehr Einfluss auf den Ethikunterricht, um eine Spaltung der Stadt zu verhindern. SPD ist nicht abgeneigt
Die christlichen Kirchen kämpfen auch nach ihrer Niederlage beim Volksentscheid weiter für eine Aufwertung des Religionsunterrichtes. Erzbischof Robert Zollitsch, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, sagte: "Ich appelliere an den Senat, gemeinsam vor allem mit der Bürgerinitiative und den christlichen Kirchen, der Jüdischen Gemeinde und den muslimischen Verbänden" nach einem Kompromiss zu suchen, der der Religionsfreiheit besser Rechnung trage als das bisherige Modell des rein staatlichen Ethik-Unterrichts.
51,3 Prozent der Wähler hatten am Sonntag gegen die Forderungen von "Pro Reli" votiert. Der Vorsitzende der Initiative, Christoph Lehmann, hatte allerdings bereits am Tag der Abstimmung deutlich gemacht, dass der Wählerwille für ihn nicht das Maß aller Dinge ist: "Eines können uns die Mächtigen dieser Stadt nicht nehmen - unseren Glauben daran, dass der Mensch nicht die letzte Instanz allen Handelns ist." Die Initiative habe "gemeinsam eine Saat gesät, und diese Saat wird aufgehen und wirken in Berlin." Von der Koalition forderte Lehmann Zugeständnisse ein: "Wer jetzt nicht bereit ist, aufeinander zuzugehen, versöhnt die Stadt nicht, sondern spaltet sie. Jetzt ist der Senat am Zug."
Der evangelische Bischof Wolfgang Huber sucht die Gründe für das Wahlergebnis beim Senat. Er wies darauf hin, dass "vom Regierenden Bürgermeister bewusst dieser Volksentscheid nicht mit dem Termin der Europawahl zusammengelegt wurde. Mit Gewissheit hätte es dann ein anderes Wahlergebnis gegeben", sagte er der Morgenpost. Huber erklärte zudem: "Im Übrigen könnte es auch einmal andere politische Konstellationen in der Stadt geben." Offenbar hofft er darauf, dass CDU und FDP bei der nächsten Wahl im Jahr 2011 eine Mehrheit bekommen und dann das bei der Abstimmung gescheiterte Modell im Abgeordnetenhaus beschließen.
Zunächst setzt Huber allerdings auf "Gespräche mit dem Senat", um Einfluss auf den Ethikunterricht zu nehmen. Rot-rot müsse "uns ganz genau erklären, wie die Inhalte im Ethikunterricht ausgerichtet sind". Er denke, "dass hier noch eine ganze Anzahl an Kompromissen gefunden werden müssen."
Der SPD-Landesparteichef Michael Müller zeigte am Montag Gesprächsbereitschaft. Das Fach Ethik sei noch jung, über den Lehrplan und die Ausbildung der Lehrer könne geredet werden. Auch die Frage, welchen Raum das Wissen über Religionen bekommen solle, sei zu klären. "Offensichtlich ist da noch nicht alles rund", sagte Müller. "Darauf wollen wir gerne reagieren und dazu auch Gespräche führen."
Nach Ansicht von Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) soll die im Schulgesetz schon jetzt verankerte Möglichkeit der Kooperation von Ethik- und Religionsunterricht weiterentwickelt werden. Derzeit gibt es nach Angaben der evangelischen Kirche an rund 60 Schulen in Berlin solche Modelle.
CDU-Chef Frank Henkel wies darauf hin, dass annähernd gleich viele Menschen für wie gegen den Volksentscheid gestimmt haben. Dies müsse "für den Regierenden Bürgermeister jetzt endlich das Signal sein, den Dialog zu suchen und Kompromisse zu ermöglichen". Eine "stärkere Berücksichtigung von Religionsunterricht" sei möglich. So könne man etwa "eine Fächerkombination mit halbjährigem Wechsel" zwischen Ethik- und Religionsunterricht diskutieren. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hingegen appellierte dafür, das Ergebnis der Abstimmung anzuerkennen. Zwar habe sie sich ein anderes Ergebnis gewünscht, so ihr Sprecher am Montag. Aber "die Entscheidung ist gefallen und ist zu respektieren".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste