■ Mit dem Karfreitag auf Du und Du: „Religiöse Relikte“
Bei einer Umfrage in einem evangelischen Kindergarten stellte sich jetzt heraus, daß kein Kind wußte, was es mit dem Karfreitag auf sich hat. Auch Ostersonntag wurde von den Kleinen allein mit Osterhasen und Schokoladeneiern in Verbindung gebracht. Den evangelisch-lutherischen Pastor Malte Haupt überraschte dieses Ergebnis nicht: Vielen Menschen, sagt er, seien Ursprung und Sinn der christlichen Feiertage überhaupt nicht mehr bekannt.
Der 57jährige hat deshalb das Buch „Was wir heute feiern“ geschrieben, das im Wuppertaler Brockhaus-Verlag erschienen ist und alle Feiertage des Kirchenjahres beschreibt. Die höchsten Feste seien heute private Freudenfeste, meint der Pastor. So stünden Schulanfänger-Gottesdienste hoch im Kurs, und Familien mit bis zu 40 Gästen nähmen an den Konfirmationen teil. Die Menschen kämen mit ganz bestimmten Erwartungen in die Kirche: „Es soll alles perfekt sein und vor allem Spaß machen.“
Die Diskussion um den Buß- und Bettag habe allerdings auch noch eine andere Facette gezeigt: „Die gewünschte Glattbügelung dieses Feiertages hat nicht so reibungslos funktioniert wie manche erwarteten. Die Menschen haben sich widersetzt – nicht nur deshalb, weil ein arbeitsfreier Tag gestrichen werden sollte.“ Ähnlich schätzt Haupt auch den Karfreitag ein, der für viele zwar nicht mehr die gleiche Bedeutung wie früher habe, aber wie beim Bußtag seien gewisse religiöse „Relikte“ eben doch noch da.
Für den historisch interessierten Pastor ist es aufschlußreich, daß der Todestag Jesu erst im 17. Jahrhundert zum höchsten evangelischen Feiertag wurde. Er habe mehr und mehr das „Gepräge eines Bußtages“ erlangt. Es sei eine „merkwürdige Entwicklung“ im Protestantismus, daß Karfreitag, Buß- und Bettag und Totensonntag immer noch von vielen als höchste evangelische Feiertage bezeichnet werden.
Dies könne mit einer gewissen „Lust“ der Protestanten zusammenhängen, sich die „Köpfe waschen zu lassen“. Zwar ist auch Haupt ganz entschieden dafür, den besonderen Charakter des Karfreitags als den „ganz anderen Tag“ zu erhalten und zu begehen, dennoch meint er: „Die Bußtage und Bußzeiten sollten das Kirchenjahr nicht so sehr bestimmen, wie sie dies weithin taten und tun.“ Sie sollten, so der Pastor, nicht vergessen lassen, daß evangelische Christen von der Freude der Erlösung geprägt seien. epd
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