piwik no script img

Archiv-Artikel

Reliefs als demokratisches Zeugnis

Betr.: Pro und Contra zu den Reliefs am Haus der Bürgerschaft, taz bremen vom 09.04.03

In der taz bremen wurde am 9.4.2003 eine Diskussion über die Frage einer Wiederaufhängung von Bernhard Heiligers Relieffries am Haus der Bürgerschaft geführt. Darin tritt ein Wahrnehmungsverhalten an den Tag, das nicht unkommentiert bleiben sollte. Zunächst freut es die Bernhard-Heiliger-Stiftung, dass die Werke des Bildhauers noch am Beginn des 21. Jahrhunderts zu Kontroversen einladen und damit ihre gewissermaßen klassische Aktualität beweisen, doch die verkürzten Argumente – sowohl vom „Fürsprecher“ Benno Schirrmeister, als auch vom „Gegner“ Henning Bleyl – verstellen gleichermaßen den Blick auf die Fassade des Hauses der Bürgerschaft.

Die Meinung von Bleyl, „15 altbackene Aluminiumquadrate“ seien „eines hässlicher als das nächste“, mag sich insofern als berechtigt erweisen, als die ästhetische Wirkung der Relieffelder durch die starke Verwitterung und den partiellen Flechtenbewuchs lange Zeit kaum zu erfahren war. Die aktuelle Reinigung und Restaurierung in der Berliner Gießerei Noack bringt nun eine Oberfläche zum Vorschein, die sowohl mit plastischen und farblichen Mitteln als auch mit Lichtreflexen äußerst effektvoll arbeitet. Der Vorwurf der „Geschmacklosigkeit“ ist noch einmal angesichts des gereinigten Zustands zu überdenken.

Herr Schirrmeister erkannte mit „analytischem Blick“ eine demokratisch-republikanische Symbolik des Relieffrieses, die für dessen Wiederaufhängung sprechen würde. Dies hat aber mit Heiligers konkretem Werk nichts zu tun, sondern leitet sich höchstens aus der Konzeption des Architekten ab, die vertikale Grundtendenz des Gebäudes mit einem plastischen Bauschmuck aufzufangen. Dafür waren aber nicht inhaltliche sondern rein formale Gründe ausschlaggebend. Heiliger antwortete jedoch mit durchaus eigenen Mitteln auf die architektonischen Vorgaben. Der Relieffries bildet einen lebendigen Kontrast zur Strenge der Fassade und ist aus vertikal gestauchten Wölbungen und horizontal auslaufenden Wellenbewegungen gebildet. Dazwischen sind als Scharniere kreisförmige, mit Blattgold belegte Elemente plaziert, die eine bewusste Brücke zur Architekturgeschichte der Bremer Innenstadt schlagen. Blattgoldauflagen sind ein beherrschendes Element an den Marktplatz-Fassaden und den Gebäuden der Böttcherstraße. Nur die Reliefs binden also das Haus der Bürgerschaft an einem Ort, der in das Weltkulturerbe der UNESCO eingetragen werden soll.

Heiliger hatte sich nach dem Krieg an der internationalen Moderne von Arp, Brancusi und Henry Moore orientiert. Die Bremer Reliefs erweisen sich vor diesem Hintergrund tatsächlich als ein demokratisches Zeugnis. Die westlichen Staaten fanden in der Abstraktion eine offizielle Sprache, die sich von der Kunst totalitärer Regime grundlegend unterschied. Anlässlich der Wiederaufhängung der Reliefs wird am 5. Juni 2003 um 18 Uhr 30 eine kleine Ausstellung mit Werken aus dem Besitz der Bernhard-Heiliger-Stiftung im Haus der Bürgerschaft eröffnen.

Marc Wellmann M.A.Kurator der Bernhard-Heiliger-Stiftung, Berlin-Dahlem